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Sicherheitsgewerbe: Für die Politik doch kein wesentlicher Bestandteil der inneren Sicherheit!

Sicherheitsgewerbe: Für die Politik doch kein wesentlicher Bestandteil der inneren Sicherheit!

Sicherheitsgewerbe: Für die Politik doch kein wesentlicher Bestandteil der inneren Sicherheit!

„Der Sicherheitswirtschaft wird die Tätigkeit zum dienenden Gemeinwohl in der Gesellschaft nicht anerkannt“.

Aufsatz mit einer Kritischen Reflexion
Sicherheit ist für die politische und soziale Stabilität jeder Gesellschaft von grundlegender Bedeutung. Sie gewährleistet die Rahmenbedingungen, in denen sich Kultur, Handel und Wirtschaft überhaupt erst entwickeln können. So investiert beispielsweise nur, wer der Überzeugung ist, die Früchte dieser Investition auch ernten zu können. Die aktuelle Missachtung der Bedürfnisse für die Sicherheitsbranche durch die Politik auf Bundes- und Landesebene veranlassten den Autor zur Abfassung der folgenden Denkschrift.

Einleitung
Seit fast 100 Jahren wartet die Branche der privaten Sicherheitsdienstleistung sowie der unternehmenseigenen Sicherheitsabteilungen /Werkschutz auf ein eigenständiges Stammgesetz. Vielmehr war in der vergangenen Hektode „Flickschusterei“ in den Parlamenten die gesetzgeberische Regel.

Die Debatte um eine gesetzliche, zunächst nur Konzessionsregulierung des Gewerbes, reicht ertraglos bis in die Gründungsjahre zurück. Denn die Handvoll der ab 1901 zunächst meist als Einpersonen- oder Familienunternehmen konzipierten Wach- und Schließgesellschaften blieb bis 1927 gesetzlich vollends unreguliert und kannte auch keine Gewerbeordnung.

Das hieß freilich nicht, dass das Gewerbe gesamtgesellschaftlich keine Rolle gespielt hätte; im Gegenteil: Bereits während des und nach dem Ersten Weltkrieg waren Wach- und Sicherheitsgesellschaften integraler Bestandteil der Organisation innerer und äußerer Sicherheit, patrouillierten in den Städten, bewachten Kriegsgefangene, stellten Sicherheitspersonal für kriegswichtige Industrien und übernahmen die Bewachung von Kasernen, Munitionsdepots sowie sonstigen militärischen Liegenschaften, um so – auf Geheiß der Reichsregierung – nach dem verlorenen Krieg diese Aktivitäten fortzusetzen und damit die Auflagen des Versailler Vertrages zu umgehen.

Was die heutige Generation der Sicherheitsmanager nicht mehr weiß: Als sich die Branche 1929 anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Kölner Verbandes in der Rheinmetropole traf, steuerte deren Oberbürgermeister Konrad Adenauer ein geradezu euphorisch gestimmtes Grußwort bei: „Das imposant wachsende Heer der Männer mit den gekreuzten Schlüsseln habe sich in den letzten Jahren das „Ansehen und Vertrauen“ von Stadt und Bürgerschaft erworben.“

Gleichschaltung des Gewerbes im 3. Reich
Im Januar 1933 wurde die aggressive Konkurrenz in der damals rund 500 Unternehmen zählenden Branche und insbesondere unter den beiden Lobbyorganisationen – dem Kölner Verband (1933: 77 Mitgliedsunternehmen) und dem Kassler Verband (1933: 120 Unternehmen) – von den Nationalsozialisten beendet – und zwar durch Gleichschaltung in den Reichseinheitsverband des Deutschen Bewachungsgewerbe“, und dass unter „lebhaften Heilrufen“ auf den „Führer“. Sämtliche jüdischen Unternehmer*innen verloren daraufhin ihre Betriebserlaubnis, mussten ihre Unternehmen verkaufen, wurden enteignet und/oder verließen das Land, wenn sie nicht in der Vernichtung endeten.

Das arisierte Gewerbe aber konnte zunächst weitgehend ungestört weiterarbeiten. 1937 wurde die Branche jedoch unter staatspolizeiliche Aufsicht gestellt, Aufsichtsbehörde wurde das Reichshauptsicherheitsamt der GeStaPo. Zwar war das nationalsozialistische Projekt der Internierung, Deportation und Vernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden eine staatliche, genauer: eine vorwiegend polizeiliche Planung, aber Industrie- und Handelswirtschaft und somit auch das Wach- und Sicherheitsgewerbes partizipierten aktiv von der im großen Stil durchgeführten Deportation zur Zwangsarbeit. Mit Kriegsbeginn, besonders aber ab Februar 1942, machte das Gewerbe prächtige Gewinne als wesentliche Säule der Zwangsarbeit im Reichsdeutschland und im besetzten Polen. Während die Bewachung von Kriegsgefangenen meist der Wehrmacht oblag, unterstanden Zwangsarbeiter*innen und Gefangene der Erziehungslager, Zwangsarbeits- und Durchgangslager der zentralisierten Polizei, die wiederum reichsweit auf kommerzielle Firmen des Bewachungsgewerbes zurückgriff.

Das Bewachungsgewerbe war somit gemäß dem Befehl von Himmel im Februar 1942 die tragende Säule für das Zwangsarbeitssystem und sogar für das Bestrafungs- und Vernichtungssystem. Die Verrohung der Branche wurde am deutlichsten durch die Beteiligung an der Bewachung des KZ Auschwitz
Nach dem Kriegsende brachen die Geschäfte für das Bewachungsgewerbe massiv ein und mussten neu aufgebaut werden.

Erste Regulierungen
Erst 1927 wurde mit dem § 34a GewO eine Rechtsgrundlage für die Unternehmen geschaffen, jedoch eingebettet in die Rechtsprechung für alle Gewerbe und Branchen. Nach der Gleichschaltung im Jahre 1933 wurde das Bewachungsgewerbe 1937 unter staatspolizeiliche Aufsicht gestellt, der § 34a der GewO behielt seine Gültigkeit. Im Reichsgesetzblatt Nr. 139 vom 21. Dezember 1937 wurde die neue »Verordnung über den Wachdienst« veröffentlicht. Demnach unterlag nun »jede nichtstaatliche Einrichtung, bei der Personen ständig mit der Abwehr rechtswidriger Angriffe gegen Menschen oder Sachen betraut« waren, »der sicherheitspolizeilichen Aufsicht«. Auch der Werkschutz der großen Industriebetriebe wurde gleichgeschaltet und in den Reichseinheitsverband integriert. Die gesetzliche Aufsicht führte das Reichshauptsicherheitsamt (RHSA) mit der Gestapo durch. Die Verordnung wurde erst 1959 durch den Bundestag aufgehoben!

Regulierungen in der Nachkriegszeit
Der § 34 a Gewerbeordnung behielt jedoch seine Gültigkeit auch über das Kriegsende 1945 hinaus bis zum heutigen Tag. Diese Vorschrift wurde im November 1963 durch eine Bewachungsverordnung ergänzt.
Unter der Regierungsverantwortung der CDU/CSU (Kohl-Ära) entfalteten sich keine Aktivitäten.

Der erste Nachkriegsversuch, das Gewerbe in einem eigenständigen Gesetz zu regulieren, scheiterte am Willen der SPD, die ihren damaligen Antrag in der Bundesdrucksache 13/3432 vom 5.1.1996. Nach der für sie erfolgreichen Bundestagswahl vom September 1998 ließ die SPD den Antrag jedoch in der sprichwörtlichen Schublade verschwinden; letztlich wurden in der Folgezeit nur einige Paragraphen der Gewerbeordnung verändert.

Ab 2015 wurde die Sicherheitsbranche in der begonnenen Flüchtlingskrise in ganz Deutschland von den Betreibern der Flüchtlingsunterkünfte mit Bewachungs- und Ordnungsaufgaben beauftragt. Dies führte zu einem erheblichen wirtschaftlichen Wachstum von 40 %.

Ein zentrales Bewacherregistergesetz wurde am 4.11.2016 erlassen, um den Vollzug des Bewachungsrechts zu verbessern. Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung bewachungsrechtlicher Vorschriften, das am 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist (BGBl. 2018 I, S. 2666), wurde das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) im Bundeswirtschaftsministerium mit der Errichtung und dem Betrieb des Bewacherregisters beauftragt und der Starttermin des Registers auf den 1. Juni 2019 festgelegt.

Der ehem. Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte seinerzeit signalisiert, dass ein solcher Entwurf eines eigenständigen Stammgesetzes für die Sicherheitsbranche noch 2019 mit einem Bundesgesetz Realität werden könne. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD heißt es entsprechend: „Durch die Neuordnung der Regelungen für das private Sicherheitsgewerbe in einem eigenständigen Gesetz werden wir die Sicherheitsstandards in diesem Gewerbezweig verbessern, und so für noch mehr Sicherheit und Verlässlichkeit zu sorgen.“ Ob damit aber mehr gemeint ist, als die in der jüngeren Vergangenheit begonnenen Modifizierungen an der Gewerbeordnung fort- bzw. umzusetzen, hat sich als „Nebelkerze“ mit leeren Absichten entpuppt.

Zum 1.7.2020 wurde die gesetzliche Aufsichtsbehörde vom Bundeswirtschafts- auf das Bundesinnenministerium verlagert. Damit wurde eine fast hundertjährige Tradition beendet. Das Fachpersonal wechselte, bis auf eine Handvoll Sachbearbeiter, jedoch nicht in das BMI.

Im Frühsommer 2021 hatte die aus SPD und CDU/CSU bestehende große Koalition (federführend war die CDU) den Regierungsentwurf eines Stammgesetzes (wie im Koalitionsvertrag beschlossen) von der parlamentarischen Tagesordnung genommen. Im Dezember 2021 fand sich jedoch wieder im Koalitionsvertrag der „Ampel-Regierung“ die Absichtserklärung zur Schaffung eines Stammgesetzes für das Sicherheitsgewerbe.

Das Statistische Bundesamt (Destatis) im Bundesinnenministerium hat die Aufgaben der Registerbehörde zum 10. Oktober 2022 vom BAFA übernommen.

Im Sommer 2023 wurde von der neuen Bundesregierung und dem SPD-geführten Bundesinnenministerium ein erster Referentenentwurf für ein „Sicherheitsgewerbegesetz“ als Stammgesetz zur Regulierung der Branche vorgelegt und eine Verbändeanhörung durchgeführt. Diese endete Mitte September 2023. Seitdem wird die Branche hinsichtlich des weiteren parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens für eine Vorlage als Gesetzentwurfs der Bundesregierung „vertröstet“. Die Einleitung eines parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens ruht derzeit.

Das Gewerbe mochte damals und möchte heute gern Teil einer wie auch immer gearteten „Sicherheitsarchitektur“ werden, weil die Innenministerkonferenz (IMK) 2009 verlautbart hatte, die Branche sei „ein wesentlicher Bestandteil der Sicherheitsarchitektur“. Jedoch hat der bundesdeutsche Staat in seiner demokratischen Form an einer rechtlich fixierten Aufgabenzuweisung wohl grundsätzlich kein Interesse.

Dr. Berthold Stoppelkamp vom BDSW führte in der Verbandszeitung DSD (3/2023, S.77) dazu aus: „Das Sicherheitsgewerbe wird vielmehr von der Bundesregierung nach wie vor allein als operativer Unterstützer für staatlich definierte Schutzziele (z. B. Sicherung der Bargeldversorgung) und staatliche Sicherheitsmaßnahmen (z. B. Luftsicherheit, Bewachung KRITIS und Bundeswehrliegenschaften) oder als Unterstützer für den Schutz der Wirtschaft betrachtet. Zwar enthält die Nationale Sicherheitsstrategie (NAS) Forderungen der Sicherheitswirtschaft wie verstärkten Schutz von Wirtschaft und Wissenschaft, insbesondere von Kritischen Infrastrukturen, einschließlich systemrelevanter Unternehmen vor Spionage und Sabotage. Hierzu soll laut NAS die „Nationale Wirtschaftsschutzstrategie“ weiterentwickelt werden. Wer, wenn nicht das Sicherheitsgewerbe allein, kann diesen Schutz mit seinen integrierten Sicherheitslösungen in Deutschland am besten gewährleisten. Demzufolge kann konstatiert werden, dass für die Politik und die Parlamente die Sicherheitsbranche nur Mittel zum Zweck ist!“

Fazit:
Beim im April 2024 Gesetzeskraft erlangtem „Cannabisgesetz“ hatte die „Ampel“ der Bundesregierung ein atemberaubendes Tempo im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren an den Tag gelegt.

Ein gleiches Tempo legt sie beim Gesetzentwurf „Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften sowie sonstigen dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten“ hin, nur 4 Wochen Beratung Bundesregierung-Bundesrat-Bundestag. Jedoch fanden die begründeten Argumente der Sicherheitsbranche um Aufnahme in den § 46 und § 115 StGB keine Beachtung. Bei diesem Gesetzgebungsverfahren deutet sich eine auffällige Korrektur der alten Aussage an, dass die Sicherheitsbranche keine dienende Tätigkeit zum Gemeinwohl in der Gesellschaft zugerechnet wird.

Dieser vorgenannte Gesetzentwurf wurde im Zuge des Auseinanderbrechens der „Ampel-Koalition“ zu den Akten gelegt.

Die bewusste Verschleppung eines Gesetzentwurfs lässt vermuten, dass in der Bundesregierung und den im Bundestag vertretenen Parteien keine ideologisch grundsätzlichen Aspekte für die Regulierung der Sicherheitsbranche mehr vorhanden sind. Im aktuellen Positionspapier „Sicherheit stärken – unsere freie Gesellschaft verteidigen“ der SPD-Bundestagsfraktion vom September 2024 finden sich keine Erwähnungen der Initiative Wirtschaftsschutz sowie Eigenschutzmaßnahmen der Wirtschaft, wie z.B. bei der Cybersicherheit.

Im Sommer 2024 dankte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) am Ende der Fußball-EURO allen Mitwirkenden in einer öffentlichen Erklärung für den sicheren Verlauf der Europameisterschaft. Jedoch erwähnte sie nicht die zehntausenden Ordner der UEFA und der Veranstalter außerhalb und innerhalb der Stadien. Diesem politischen Dank schloss sich die Bischöfin Fehrs der evangelischen Kirche Deutschland an. Erst auf Intervention der ASW Nord wurden in den geistlichen Dank auch alle Ordner eingeschlossen.

Prof. Dr. Harald Olschok, der jahrelang für ein Stammgesetz für das Sicherheitgewerbe kämpfte, sagte im Herbst 2024 auf LinkedIn resignierend:

„Nach meiner jahrzehntelagen Beschäftigung mit dem Thema „zeitgemäße Regulierung für die Sicherheitswirtschaft“ hoffe ich, dass das Thema Sicherheitsgewerbegesetz in der vorliegenden Form („§ 34a 2.0“) nach dem Aus der Ampel von der politischen Agenda vorläufig verschwindet und von einer neuen Bundesregierung angemessen aufgegriffen wird. Frei nach Christian Lindner: „Lieber kein Gesetz als ein schlechtes Gesetz“.

Diesem Fazit kann ich mich anschließend. Die „All-Inklusiv-Mentalität“ der Sicherheitswirtschaft ist nicht mehr zeitgemäß. In den Fällen eines „Notstandes“, eines „Spannungsfalls“ oder gar eines „Bündnisfalls“ der NATO kann der Staat den Schutz und die Standortsicherheit von Wirtschaftsunternehmen nicht mehr gewährleisten. Die Verpflichtung der Wirtschaft zum Eigenschutz kommt zum Tragen. Und auf diese neuen Rahmenbedingungen muss sich die Wirtschaft ab sofort einstellen, Eigenschutz muss für zukünftige Ernstfälle geplant werden. Ein Vertreter des Führungsstabes der Bundeswehr hat auf der Konferenz von FORSI den Appell ausgesprochen, dass Sicherheitspersonal für den Objektschutz, besonders an KRITIS-Standorten, generell bewaffnet sein muss, am besten mit Langwaffen.

Eigeninitiative zum vorgenannten Eigenschutz der Wirtschaft und bestehende und neue Partnerschaften mit Behörden könnten neue Gestaltungsräume eröffnen und neues Vertrauen des Staates und der Politik in die Sicherheitswirtschaft generieren. In diesem Zusammenhang ist das Ziel einer Anhebung des Ausbildungsniveaus nicht zu vernachlässigen. Eine Voraussetzung sollte aber beachtet werden: Die Wirtschaftsunternehmen müssen die Notstandsgesetze kennen und in ihre Krisenpläne implementieren.

Weiterhin ist es an der Zeit, dass Verbände in der Sicherheitswirtschaft und Unternehmen umdenken und zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit und der öffentlichen Wahrnehmung Missstände in der eigenen Branche verurteilen und durch Forderungen an die zuständigen Behörden Gewerbeverbote imitieren. Dazu zählen Steuerhinterziehung, Betrug mit gefälschten Rechnungen, Vorenthalten von Sozialabgaben sowie von Clans bzw. der OK gegründete und unterwanderte Sicherheitsunternehmen.

Quellenangaben
Titelbild von Kunut – stock.adobe.com (generiert mit KI)

Über den Autor

Klaus Kapinos, ehem. KHK der Polizei Hamburg, Mitglied der Verhandlungsgruppe im LKA-Stab, zuletzt Leiter der Flughafenpolizei Hamburg.
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