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If you’re going to San Francisco..

If you’re going to San Francisco..

If you’re going to San Francisco

…sollten Sie keine Wertgegenstände im Auto lassen. Denn die Entwicklung der allgemeinen Sicherheit in der ikonischen Metropole des „Sunshine States“ Kalifornien ist alles andere als sonnig.

Das hohe Ansehen und die wirtschaftliche Stärke des vielleicht bekanntesten US-Bundesstaats haben seine Schattenseiten. Seit Jahren kämpfen vor allem die Ballungsräume in Kalifornien mit Armut, Gewalt und Kriminalität. Im Kontrast hierzu steht der ökonomische Boom – gerade im Technologiesektor – und der damit einhergehende Zuzug von wohlhabenden Familien. Diese Dichotomie in Form einer extremen Gentrifizierung lässt die Preise für grundlegende Lebenserhaltungskosten in schwindelerregende Höhen schnellen, sodass der ärmere Teil der Bevölkerung kaum Schritt halten kann. Selbst in der Peripherie der Stadt stiegen Wohnungsmietpreise von $ 1.000 auf $ 8.000 an, teilweise binnen weniger Wochen. Betrachtet man die Statistiken zur Armutsverteilung der Bundesstaaten in den USA, wird klar, dass die verhältnismäßig ärmsten Staaten wie Louisiana und Mississippi zwar ein deutlich geringeres BIP generieren, die Schere zwischen Arm und Reich jedoch nirgendwo so weit auseinandergeht wie in Kalifornien.

Neben den astronomischen Preisen, die vor allem den einkommensschwachen Haushalten zu schaffen machen, wütet die Opiatkrise besonders in San Francisco. Vor den großen Wolkenkratzern der Wirtschaftsgiganten liegen Heroin- und neuerdings verstärkt auch Fentanylabhängige wie überfahrene Tiere am Straßenrand und in den Parks. Den Brennpunkt hierfür bildet das Viertel Tenderloin, mit einer sehr hohen Kriminalitätsrate, die insbesondere in gewalttätigen Straftaten wie Raubüberfällen und schweren Körperverletzungen ihren Schwerpunkt findet. Graffiti-Kunst und das Anbringen von Tags in der Nachbarschaft sind üblich. Der Handel mit illegalen Drogen und ihr Gebrauch finden auf den Straßen der Metropole statt. Ebenso ist dies einer der Hauptumschlagplätze für Diebesgut und Hehlerware. Waren, die auf großen Schwarzmärkten am helllichten Tag feilgeboten werden. Aber woher stammen diese Waren?

„Bipping“, so heißt das neue Slangwort aus der San Francisco Bay Area, dass es als Synonym für Raubüberfälle und Einbruchsdiebstähle in den Alltagsjargon der San Franciscans geschafft hat. In seinem investigativen Beitrag begleitet der YouTube-Reporter Andrew Callagh einen jungen Mann aus San Francisco, der sich selbst als „Jack the Bipper“ bezeichnet, bei seinen Raubzügen. Jack ist opiatabhängig und finanziert sich durch Beschaffungskriminalität in Form von Autoeinbrüchen und Überfällen seine Sucht. Und Jack ist bei weitem kein Einzelfall – im Jahr 2022 kamen laut der Zeitschrift „The San Francisco Standard“ auf 10.000 Einwohner 2.200 Autoeinbrüche in der „goldenen Stadt“. Um die Scheiben der Fahrzeuge einzuwerfen, werden meist handelsübliche Zündkerzen verwendet, weshalb Baumärkte schwarze Listen mit registrierten „Bippern“ führen, die diese nicht mehr erwerben können. Dies hält die „Bipper-Gemeinschaft“ jedoch nicht davon ab, neue Wege und Mittel für ihre kriminellen Unterfangen zu finden. So floriert der Straßenhandel mit allen Gegenständen, die solide sind und sich besonders gut als Wurf- und Schlagwaffe eignen. Und es bleibt nicht bei Autodiebstählen – Bürogebäude und vor allem Geschäfte werden verstärkt von Bipper-Gangs ins Visier genommen.

Es sind Szenen wie aus einem dystopischen Film. Vor dem Luxusmarkengeschäft Louis Vuitton stehen schwer bewaffnete Sicherheitskräfte mit Gewehren. Am Ende der Straße rennt eine Gruppe vermummter Individuen in den Apple Store. Innerhalb weniger Minuten werden Scheiben eingeschlagen, Wertgegenstände geraubt und Vandalismus an der Einrichtung betrieben. Die Täter stürmen ungehindert mit so vielen Waren, wie sie tragen können, aus der gläsernen Eingangspforte. Die Polizei greift dabei nicht mehr ein, weswegen den Ladenbesitzern nichts anderes übrigbleibt, als sich mit den sprichwörtlichen „schwersten Geschützen“ selbst zu verteidigen.

Die Einwohner der Stadt beschreiben Bipping als ein langwieriges Problem, das sich in den letzten Jahren zugespitzt hat. Katalysator für den Kriminalitätsanstieg ist laut Kritikern das umstrittene Gesetz „Proposition 47“, das im Jahr 2014 in Kalifornien verabschiedet wurde. Es handelt sich um eine Initiative zur Kriminalitätsbekämpfung, die bestimmte nichtgewaltsame Straftaten als Vergehen anstatt als Verbrechen einstuft. Dadurch wurden die Strafen für diese Straftaten reduziert, und es wurde eine größere Betonung auf alternative Strafmaßnahmen wie Rehabilitation und Behandlung gelegt. Ziel des Gesetzes ist es, die Überbelegung der Gefängnisse zu verringern, die Wiedereingliederung von Straftätern zu erleichtern und die Ausgaben für das Strafrechtssystem zu senken. Denn Stand 2023 füllten insgesamt rund 200.000 Insassen die Gefängnisse in Kalifornien. Der tatsächliche Effekt scheint jedoch kontraproduktiv zu sein. So kommen gefasste Bipper, die Gegenstände im Wert bis zu $ 1.000 gestohlen haben, meist mit einem Bußgeld von wenigen hundert Dollar davon. So ist es nicht unüblich, dass einige Bipper weit über 40 Einbruchsdiebstähle verübten, jedoch nie zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden. Obwohl im Jahr 2017 ein Höchststand an Überfällen und Einbruchsdelikten verzeichnet wurde, lässt die aktuelle Rezession einen erneuten Anstieg dieser Delikte vermuten. In San Francisco erstreckt sich das Revier der Bipper von touristischen Gegenden wie Fisherman’s Wharf bis hin zu ruhigen Wohngegenden wie West Portal. Besucher Kaliforniens sollten in den Metropolen und auch in ihrem Umland äußerst wachsam sein.

Quellenangaben
Bild von Gina Sanders – stock.adobe.com

Über den Autor

Christopher Castner ist Analyist und Berater bei der consulting plus GmbH. In 2017 machte Christopher Castner seinen Masterabschluss als Politischer Psychologe. Seine anfänglichen Berufserfahrungen in der Wissenschaft, sammelte er als Mitarbeiter an der Hochschule Osnabrück. ⇒ mehr erfahren

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