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Familienunternehmen und ein zeitgemäßes Management krimineller, ethischer und reputativer Risiken

Familienunternehmen und ein zeitgemäßes Management krimineller, ethischer und reputativer Risiken

Family Offices, Familienunternehmen und ein zeitgemäßes Management krimineller, ethischer und reputativer Risiken

Vor einiger Zeit wurde ich von dem Anwalt eines Family Offices mit der Bitte kontaktiert, am folgenden Tag eine deutsche Unternehmerfamilie in Italien aufzusuchen. Anlass und Umfang des Mandates, würde ich aus Gründen der Geheimhaltung (man befürchtete abgehört zu werden) vor Ort erfahren. Zwanzig Stunden später saß ich nördlich der Alpen einem emotional völlig aufgelösten Ehepaar gegenüber, das sich von einem ehemaligen Geschäftspartner bedroht, verleumdet und verfolgt fühlte.

Vor Ort konnten jedoch weder verdeckte Observationsmaßnahmen noch ein versteckt angebrachter GPS-Tracker an der Limousine der Unternehmer festgestellt werden. Auch eine später durchgeführte Abhörschutzmaßnahme am Hauptwohnsitz (TSCM-Sweep), die Überprüfung der Einbruchsicherheit des Anwesens und die Hintergrundüberprüfung der Hausangestellten ergaben keine Hinweise auf gegen das Paar gerichtete Maßnahmen.

Nachdem die möglichen Observationsposten potenzieller Observanten für das Anwesen identifiziert und das Ehepaar für deren Vorgehen sensibilisiert waren, ging es an die Aufklärung der Gegenseite. Diese stellte sich dann als ein nebenberuflich im Kokainhandel tätiger prominenter Münchner Unternehmer heraus. Er schuldete der Familie Geld. Durch Drohungen und Verleumdungen versuchte er einen Erlass seiner Schulden zu bewirken. Aber die Familie hatte noch eine Reihe anderer Sorgen. So hatte der Stewart ihrer Yacht dort teuren Schmuck der Ehefrau gestohlen, ein „Freund“ weigerte sich einen ausgeliehenen PKW der Premiumklasse zurückzugeben und ein Schweizer Geschäftspartner gaukelte vor, einen sechsstelligen Kredit nicht zurück zahlen zu können.

Existenz- oder lebensbedrohliche Angriffe bleiben die Ausnahme

Der sorglose Umgang in der sogenannten High Society, falsche Freunde und ohne Hintergrundüberprüfung engagierte Dienstleister, hatten die Lebensqualität der Familie erheblich beeinträchtigt. Man fühlte sich verfolgt, bedroht und verleumdet und begegnete seinem Umfeld zunehmend mit Misstrauen.

Es müssen also nicht gleich existenzbedrohende Szenarien wie z.B. die sehr seltene Entführung (Kidnap for ransom) oder komplexe Cyberangriffe sein, die Reputation und subjektiv empfundene Sicherheit von Unternehmerfamilien beeinträchtigen. Erfahrungsgemäß sind es wesentlich niedrigschwelligere Probleme, die bei einem mangelnden Grundschutz ein bedrohliches Ausmaß annehmen können.

Durch die Exklusivität der Veranstaltungen, die teuren Clubmitgliedschaften und die oft empfehlungsgebundenen Zugänge, entsteht eine sehr kleine soziale Blase, in der jeder jeden zu kennen scheint. So verfällt man leicht der Illusion, man befände sich in vermögenden Kreisen auch gleichzeitig in einem sicheren und gleichsam rechtstreuen Umfeld. Zwar darf man aus Gründen der sozialen Herkunft auf ein gewalt- und aggressionsfreieres Miteinander hoffen, muss aber stattdessen mit raffinierteren Deliktformen wie beispielhaft Betrug, Unterschlagung, Verleumdung, Erpressung und Finanzkriminalität rechnen. Ärgernisse, bei denen der eigene Rechtsbeistand und Vermögensverwalter schnell an ihre fachlichen Grenzen stoßen.

Security – Mehr als nur Personenschutz

Vor diesem Hintergrund kann es angebracht sein, zu prüfen, wer mit auf der Gästeliste steht, wer sich der Handelsdelegation angeschlossen hat und mit wem man sich zusammen ablichten lässt. Denn überraschend entpuppt sich hin und wieder ein bekannter Privatbankier als Strippenzieher der internationalen Finanzkriminalität, ein Vorstandschef als russischer Agent oder der neue Partner einer deutschen Milliardärin als Erpresser.

Mit dem Personenschützer als stereotypem Symbol für den privaten Schutz, ist diesen diffizilen Problemen nicht zu beizukommen. Ein zeitgemäßes Sicherheitsmanagement für Family Offices und Unternehmerfamilien setzt daher schon bei der Informationslage an, beginnt also mit der proaktiven Erkennung und Beobachtung von Risiken (z.B. durch Informationsgewinnung aus frei verfügbaren Quellen – OSINT, Hintergrundüberprüfungen, Sichtbarkeitsanalysen, Online-Monitoring). Auch befähigt es Familienmitglieder, mittels Trainings und Sensibilisierungen reputationsgefährdenden oder bedrohlichen Situationen angemessen zu begegnen, bzw. diese informiert zu vermeiden. Ungeachtet dessen, gilt es beim Schutz von Unternehmerfamilien selbstverständlich auch weiterhin die klassischen Eigentumsdelikte, Gewaltverbrechen und politisch motivierte Kriminalität (meist vom linken politischen Spektrum) im Blick zu behalten.

Der Weg zum individuellen Grundschutz

Ein modernes Grundschutzniveau schütz somit also sowohl vor niedrigschwelligen als auch vor sehr ernsthaften Gefährdungen kriminellen Ursprungs und sollte der Familie ermöglichen, schnell auf eine unvorhersehbare Verschlechterung der Bedrohungslage zu reagieren. Eine solche Reaktionsfähigkeit setzt die Umsetzung präventiver Schutzmaßnahmen voraus, auf die weiterführende bzw. reaktive Sicherheitsmaßnahmen aufsetzen können. Wirkungsvoll sind die präventiven und reaktiven Maßnahmen des Grundschutzes dann, wenn sie in ihrer Auswahl und Konzeption die folgenden sieben Kriterien erfüllen:

  • nachweislich kosteneffizient, aber maximal effektiv
  • den erkannten Risiken gegenüber angemessen bzw. proportional
  • leicht in die alltäglichen Routinen integrierbar
  • aufwuchsfähig bzw. skalierbar
  • besser weniger als mehr, dafür jedoch akzeptiert und “gelebt“
  • einen getesteten und möglichst messbaren Zuwachs an Sicherheit erbringend
  • dem Riskmanagement-Modell “Monitor”, “Detect”, “Deter”, “Evade, Minimize, Delay”, “Respond”, “Recover”, “Improve” folgen
  • möglichst unauffällig und nur dort sichtbar, wo bewusst eine abschreckende Wirkung erzielt werden soll.

Bestandsaufnahme und Risikoanalyse

Die Entwicklung eines solchen anpassungsfähigen und agilen Schutzkonzeptes sollte in einem vertrauensvollen Dialog zwischen Sicherheitsberater und Inhaberfamilie erfolgen. Vom Sicherheitsberater darf die Familie im Rahmen der Bestandsaufnahme eine fachlich rationale Bewertung ihres aktuellen Schutzniveaus auf der einen und eine Risikoanalyse relevanter kriminellen Risiken und Akteure auf der anderen Seite erwarten. Beispielhafte Fragestellungen sind:

  • Sind Faktoren vorhanden, die Sie für Täter besonders interessant machen?
  • Welche Informationen sind öffentlich über Sie zugänglich und bieten potenziellen Tätern Ansätze zur Tatbegehung?
  • Wie sind Sie momentan geschützt?
  • Wer könnte Ihnen wie schaden wollen?
  • Welche Deliktphänomen müssen wir berücksichtigen?
  • Vor wem und was möchten Sie sich schützen und mit welchen Risiken können sie leben?

Die Inhaberfamilie ihrerseits sollte sich bewusst sein, dass der Zustand relativer Freiheit von unvertretbaren (Sicherheits-)Risiken bzw. der Zustand des Nicht-bedroht-Seins, sich für sie nicht alleinig durch das Engagement eines Sicherheitsberaters einstellt. Relative Sicherheit fordert vielmehr ihre Mitarbeit, zusätzliche finanzielle Ressourcen (z.B. für die Absicherung der Ferienimmobilien) und punktuelle Verhaltensänderungen.

Denn ein modernes Grundschutzniveau geht heutzutage über den Schutz von Leib und Leben hinaus, erweitert also den Definitionsbereich schützenswerter Assets und berücksichtigt auch die

  • Unverletzlichkeit der Wohnung
  • Willens- und Handlungsfreiheit
  • Werthaltige Sachwerte
  • Reputation und
  • Privatsphäre.

Woraus sich in der Konsequenz umfangreichere und anspruchsvollere Maßnahmen ergeben können.

Die individuelle Security-Roadmap

Aus den individuellen Wünschen der Familie, dem Delta zwischen aktuellem und angestrebten Schutzniveau, dem herausgearbeiteten Risikoprofil der Familie sowie der erfolgten Risikoanalyse, konzipiert der Sicherheitsberater einen gestaffelten Maßnahmenkatalog. Diese maßgeschneiderte Security-Roadmap bündelt die vereinbarten Schutzmaßnahmen in einem abgestimmten Gesamtkonzept. Die zeitliche Priorisierung der Schutzmodule kann sich sowohl an dem Kriterium schnell erzielbarer Ergebnisse (low hanging fruit), der prioritären Bearbeitung besonders kritischer Gefährdungen (Kritikalität) oder an dem Vorrang von Handlungsfeldern mit langem Umsetzungshorizont (strategisch) orientieren.

Exemplarisch kann eine solche Security-Roadmap die folgenden Module beinhalten bzw. die damit verbundenen Fragestellungen adressieren:

  • Sensibilisierung, Trainings, Simulationen: Wie kann die Familie befähigt werden Risiken zu vermeiden, Gefahren zu erkennen und angemessen zu reagieren?
  • Risikoanalysen, Ermittlungen, Informationsgewinnung aus freizugänglichen Quellen (OSINT), Hintergrundüberprüfungen und Recherchen zu Geschäftspartnern, verdächtigen Vorgängen oder Angestellten: Wie kann sichergestellt werde, dass von Geschäftspartnern, neuen Freunden und Service-Providern für die Familie keine reputativen, compliance-relevanten oder kriminellen Risiken ausgehen?
  • Fortlaufendes Monitoring der Online-Reputation & Sichtbarkeit, Vorfallmanagement, Krisenmanagement, exklusive 24/7 Notrufhotline: Wie können eine rechtzeitige Erkennung und angemessene Reaktion auf kriminelle Bedrohungen gewährleistet werden?
  • Reisesicherheit, Fahrtraining, Sicherheitsanalysen für Reiseziele: Wie kann sichergestellt werden, dass sich das Schutzniveau mobil und auf Reisen nicht schlagartig verschlechtert?

Family Office Security PLUS

Ein weiterer wichtiger Aspekt eines modernen Grundschutzes ist, dass das zu vereinbarende Schutzniveau der Familie und ggf. auch innerhalb ihrer Unternehmen einheitlich und anpassungsfähig, also situations- und standortspezifisch umgesetzt wird. Das Schutzniveau also für zuhause, bei der Arbeit, in der Öffentlichkeit, auf Reisen oder bei veränderter Bedrohungslage konstant und ohne Insellösungen aufrechterhalten werden kann.

In Abhängigkeit vom Qualifikations- und Leistungsprofil ihres Sicherheitsberaters, kann dieser so für die Unternehmerfamilie nicht nur die Rolle

  • persönlicher Sicherheitsberater
  • Analyst für kriminelle, reputative und ethische Risiken
  • Experte für das Management von Sicherheitsvorfällen
  • Krisenmanager mit 24/7 Notrufhotline und
  • persönlicher Ermittlungsdienst,

einnehmen, sondern kann zusätzlich auch die Aufgabe des Sicherheitsmanagers für alle mehrheitlichen Unternehmensbeteiligungen übernehmen. Dabei ergeben sich für den Sicherheitsmanager in der Regel thematische Überlappungen mit Audit, Compliance, Legal, Facility Management, IT-Security, Business Continuity und HR.

Insbesondere bei Start-ups und kleineren mittelständischen Firmen, ist die Risikoaffinität hoch und sind die personellen und fachlichen Ressourcen für eine effektive Unternehmenssicherheit nicht existent. So bleiben Unternehmenswerte exponiert und kritische Wertschöpfungsprozesse ungeschützt. Dem oft ungenügenden Unternehmensschutz zu begegnen, hat die Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft e.V. (ASW) in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) seit 2013 Sicherheitsstandards und Bausteine für alle Aspekte der Corporate Security erarbeitet. Wenn auch nicht rechtsverbindlich, so dient dieser Deutsche Unternehmensgrundschutz Standard Sicherheitsverantwortlichen in vielerlei Hinsicht als Orientierungshilfe.

Unternehmenssicherheit als Wettbewerbsvorteil

Angesichts multipler internationaler Krisen, politischer Radikalisierung, vermehrten Spionage- und Sabotageakten und immer weiter eskalierender Cyberangriffe, können auch Unternehmerfamilien über eine professionelle Sicherheitsberatung von diesem nationalen Sicherheitsstandard im Sinne eines Wettbewerbsvorteils profitieren.

In diesem Zusammenhang stehen für den Sicherheitsberater zunächst die beiden folgenden Fragestellungen im Vordergrund:

  • Wie kann man einen risikoproportionalen und effektiven Wirtschaftsgrundschutz in Ihren Unternehmen umsetzen? (Optional)
  • Welche internationalen Sicherheitsvorschriften und gesetzlich vorgeschriebener Security- und Riskmanagementstandards müssen Ihre Unternehmen erfüllen? (Verpflichtend)

Wie bereits oben für das Family Office ausgeführt, verschieben sich auch in der Unternehmenssicherheit die Prioritäten im Management krimineller Risiken in Richtung Prävention, Monitoring und Erkennung. Tools wie Pre-Employment Screenings, Online-Monitoring, Sichtbarkeitsanalysen, Risikoanalysen, Hintergrundüberprüfungen oder Investigative Due-Diligences gewinnen so immer mehr an Bedeutung.

Auch niedrigschwellige Phänomene, die zunächst einen vorwiegend ethisch/wertebasierten Charakter haben, werden von der Corporate Security zunehmend in den Fokus genommen.

So werden unter dem Begriff Threat- bzw. Bedrohungsmanagement Themen wie verbale Gewalt, Verschwörungserzählungen, politisch-religiöse Radikalisierung, Fake News, sexuelle Belästigung oder Chauvinismus innerhalb der eigenen Belegschaft frühzeitig adressiert, bevor sie in physische Gewalt oder Reputationsschäden umschlagen.

Resümee

Zusammenfassend darf festgehalten werden, dass eine moderne Security für Family Offices und Unternehmerfamilien weit über das Klischee des (punktuell möglicherweise notwendigen) Personenschützers hinaus geht und nicht nur das Management krimineller, sondern auch reputativer und ethischer Risiken umfasst.

Die Einbeziehung von niedrigschwelligen Risiken, welche die Willens- und Handlungsfreiheit oder Privatsphäre beeinträchtigen können, verlangt nach einer breit aufgestellten Fachlichkeit des Beraters. Sie beinhaltet auch die proaktive Erkennung und Beobachtung von Risiken.

Der Weg zu einem Grundschutz für die Unternehmerfamilie ist ein mehrstufiger Prozess, der in einem intensiven Austausch Vereinbarungscharakter hat und nur bei Mitarbeit der Familie gelingen kann. Er reicht von der Bestandsaufnahme über die Aufstellung einer Security-Roadmap mit unterschiedlichen Schutzmodulen bis hin zur gemeinsamen Implementierung und notfalls auch Reaktion auf sich verändernde Bedrohungen oder gar Gefährdungen.

Die Skalierbarkeit des Grundschutzes durch zusätzliche und also reaktive Schutzmaßnahmen ermöglicht, die Beibehaltung eines konstanten Schutzniveaus, welches situations- und standortunabhängig auf veränderte Risiken reagiert.

Optional und in Abhängigkeit der Qualifikation des Sicherheitsberaters, kann die persönliche Sicherheit um die Betreuung der Corporate Security für mehrheitlich gehaltene Unternehmen mit einer Family Office Security PLUS erweitert werden. Mit dem persönlichen Sicherheitsberater als Verantwortlichen für Unternehmenssicherheit können Inhaberfamilien nicht nur von einer Security aus einer Hand, sondern auch von den aktuellen Trends in der Unternehmenssicherheit wie zum Beispiel dem Bedrohungsmanagement und einer Umsetzung gemäß deutschem Grundschutzstandard profitieren.

Quellenangaben 
Titelbild von ipolstock (KI generiert) – stock.adobe.com

Über den Autor

Lars D. Preußer ist Gründer der Boutique-Beratungsgesellschaft Laurentium GmbH, Berlin und arbeitet seit 1999 weltweit als Risiko- und Sicherheitsberater für internationale Großkonzerne. ⇒ mehr erfahren

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