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Apps und Spionage – der moderne Mensch überwacht sich selbst

Apps und Spionage – der moderne Mensch überwacht sich selbst

Apps und Spionage

Morgens klingelt der Wecker auf meinem Handy, begleitet von einer Erinnerungsnotiz: „Heute zählt es!“ Während des Zähneputzens höre ich einen Nachrichten-Podcast und überprüfe auf meiner Smartwatch, wie viele Schritte mir diese Woche noch für meinen optimalen Bewegungsablauf fehlen. „Verdammt, wieder 2.000 zu wenig.“ Der Monatsbeitrag für meine Fitness-App, 15,99 Euro, wurde gestern abgebucht – auch diese Apps werden immer teurer. Heute steht ein wichtiger Kundentermin an. Ich gebe die Adresse in meine Navigations-App ein, um pünktlich zu sein. Im Auto verbindet sich mein Handy automatisch, sodass ich gleichzeitig dem Vorzimmer Bescheid geben und dem Navi folgen kann. Ein Nachrichtensymbol leuchtet auf: Meine Frau schreibt, „Viel Erfolg für heute!“. Doch jetzt wieder auf den Verkehr konzentrieren – ein Unfall wäre katastrophal. Im Rückspiegel ziehen andere Autos vorbei. Komisch, das schwarze Auto hinter mir war gestern auch schon da, als ich von Hannover heimfuhr.

Technologie: Segen und Risiko zugleich
Die Technologie von Smartphones und Apps hat unser Leben in den letzten 15 Jahren grundlegend verändert. Die Supercomputer in unseren Taschen bieten Wissen und Funktionen, die unseren Alltag bestimmen – aber sie laden auch ungebetene Gäste ein.

Die französische Zeitung Le Monde deckte beispielsweise eine gravierende Sicherheitslücke auf: Über die Fitness-App Strava wurden unbeabsichtigt sensible Informationen aus dem Schutzteam des französischen Präsidenten Emmanuel Macron öffentlich. Strava, mit knapp 100 Millionen Nutzern, zeichnet sportliche Leistungen auf und hat einen Social-Media-Charakter. Nutzer können anderen folgen, Erfolge kommentieren und Updates teilen.

Le Monde fand heraus, dass Macrons Leibwächter regelmäßig ihre Joggingrouten teilten. Diese führten oft zu Hotels, in denen Macron untergebracht war. So wurde beispielsweise das Londoner Hotel Savoy, in dem Macron 2022 zur Trauerfeier für Queen Elizabeth wohnte, durch die Strava-Daten seiner Sicherheitskräfte enttarnt. Ähnliche Leaks entdeckten die Journalisten beim US Secret Service, dessen Bodyguards öffentlich ihre Aktivitäten und teils sogar Fotos teilten. Selbst im Umfeld von Wladimir Putin kamen über Strava sensible Informationen ans Licht, etwa der geheime Treffpunkt mit Kim Jong-un oder Routen um ein luxuriöses Anwesen am Schwarzen Meer, dessen Eigentum Putin bestreitet.

Apps als Sicherheitsrisiko
Trotz solcher Vorfälle sehen Behörden das Risiko unterschiedlich. Während das Weiße Haus neue Vorschriften prüft, erklärte die französische Präsidentschaft gelassen, es gebe „kein Sicherheitsrisiko“. Der Kreml schwieg.

Doch Strava ist kein Einzelfall. Oft erlauben wir Apps leichtfertig den Zugriff auf Standort, Mikrofon und Kamera – ideale Angriffsflächen für Hacker oder andere Akteure. Auch große App-Anbieter geraten in Kritik. So wird Meta, dem Facebook, Instagram und WhatsApp gehören, vorgeworfen, Gespräche über das Handymikrofon abzuhören. Viele Nutzer berichten, dass sie nach privaten Unterhaltungen gezielte Werbung zu den angesprochenen Themen erhalten hätten.

Facebook: Kein Abhören, aber umfangreiche Daten
Offiziell dementiert Facebook solche Praktiken. Das Unternehmen verweist darauf, dass das Abhören technisch aufwendig und leicht nachweisbar wäre. Zudem würde es die Akkulaufzeit der Geräte stark beeinträchtigen. Experten und Apple, ein selbsternannter Gegner von Datensammlungen, bestätigen, dass eine solche Funktion in Facebook-Apps bisher nicht gefunden wurde. Ironischerweise sieht sich Apple selbst Vorwürfen gegenüber, dass die Einführung von App Tracking Transparency (ATT) nur dabei helfe, das Tracking durch Drittanbieter zu reduzieren. Allerdings habe Apple gleichzeitig sein eigenes Werbenetzwerk, SkadNetwork, ausgebaut.

Doch Facebook benötigt solche Daten auch gar nicht. Es sammelt bereits umfassende Informationen aus der Plattformnutzung: Gruppenmitgliedschaften, Aufenthaltsorte, Interessen und demografische Daten. Hinzu kommen Webtracking-Methoden, etwa über Cookies oder Links mit speziellen Codes wie „fbclid“, die externe Webseiten mit Facebook-Daten verknüpfen.

Das Fazit

Die personalisierte Werbung, die uns so oft überrascht, basiert auf umfangreichen Datensammlungen, nicht auf abgehörten Gesprächen. Doch ob detailliertes Nutzerprofiling durch Tracking besser ist als das direkte Abhören, bleibt fraglich. Klar ist: Wir überwachen uns oft selbst – und laden damit die Risiken bewusst ein.

Quellenangaben
Titelbild von Robert Kneschke – stock.adobe.com (redaktionelle Nutzung)

https://www.sueddeutsche.de/politik/sicherheitsluecke-strava-biden-putin-macron-leibwaechter-lux.DgVAXqhL7FU1swsw8FfLPt
https://www.spiegel.de/sport/strava-ist-die-fitness-app-ein-sicherheitsrisiko-a-505b6ea8-0498-4aa7-b007-efb04fdb9d7d
https://www.businessinsider.com/guides/tech/does-facebook-listen-to-you
https://www.chip.de/news/Massive-Sicherheitsprobleme-Perso-App-am-Handy-laesst-sich-uebertoelpeln_184378889.html
https://www.lemonde.fr/en/pixels/article/2024/10/27/strava-the-exercise-app-filled-with-security-holes_6730709_13.html
https://www.dr-datenschutz.de/apple-das-datenschutz-unternehmen-oder-doch-nicht/

Über den Autor

Christopher Castner ist Analyist und Berater bei der consulting plus GmbH. In 2017 machte Christopher Castner seinen Masterabschluss als Politischer Psychologe. Seine anfänglichen Berufserfahrungen in der Wissenschaft, sammelte er als Mitarbeiter an der Hochschule Osnabrück. ⇒ mehr erfahren

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