Unsere moderne Welt ist zunehmend von digitalen Systemen abhängig. Vom Stromnetz über die Wasserversorgung bis hin zur Kommunikation und Gesundheitsversorgung – Kritische Infrastrukturen sind das Rückgrat unserer Gesellschaft. Doch genauso wie sie unser tägliches Leben sichern, sind sie auch ständig bedroht. Cyberangriffe, Sabotage und menschliches Versagen stellen enorme Risiken dar. Immer öfter werden kritische Infrastrukturen eines Staates zur Zielscheibe, wie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine zeigt.1
Der Schutz dieser Infrastrukturen ist nicht nur eine Aufgabe für die Betreiber, sondern erfordert ein enges Zusammenspiel zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft.
Schutz Kritischer Infrastrukturen in Deutschland
Der Schutz Kritischer Infrastrukturen wird in Deutschland nach gesetzlichen Vorgaben geregelt, wobei die Verantwortung vor allem bei den jeweiligen Betreibern liegt. Diese müssen ihre Anlagen umfassend absichern und gegen diverse Bedrohungen wie Cyberangriffe wappnen.2 Zur Bewältigung dieser Aufgabe wurden zahlreiche Kooperationsformen etabliert, die staatliche Institutionen, private Betreiber und nichtstaatliche Organisationen miteinander vernetzen. Insbesondere auf kommunaler Ebene tragen Behörden eine besondere Verantwortung, da viele Infrastrukturanlagen lokal verankert sind. Gleichzeitig zeigt sich, dass viele Systeme grenzüberschreitend wirken und ihre Funktionsfähigkeit häufig von einer engen Koordination zwischen verschiedenen Verwaltungsebenen abhängt.
Die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren gestaltet sich jedoch aufgrund unterschiedlicher Zuständigkeiten und Bedürfnissen als komplex. Eine enge Abstimmung zwischen den Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden sowie den Betreibern ist unerlässlich, um einen effektiven Schutz zu gewährleisten. Dies erfordert eine gesetzliche Rahmensetzung, die sowohl Flexibilität für regionale Besonderheiten als auch eine notwendige Harmonisierung auf allen Ebenen bietet.3
Internationale Cybersicherheitsmaßnahmen: Die EU geht voran
Auf internationaler Ebene hat die Europäische Union Cybersicherheit als wesentlichen Bestandteil ihrer Sicherheitsstrategie verankert. Ein Meilenstein war die Verabschiedung der NIS-Richtlinie im Jahr 2016, die erste EU-weite Vorschrift zur Cybersicherheit, sowie die NIS2-Richtlinie, die den Schutz Kritischer Infrastrukturen weiter ausbaut. Diese Richtlinien definieren Mindestanforderungen zur Cybersicherheit und stärken die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten. Im Jahr 2020 wurde die EU-Cybersicherheitsstrategie für das digitale Jahrzehnt vorgestellt, die zusätzliche Maßnahmen zur Verbesserung der Cyberabwehr umfasst, darunter die Einführung von Computer Security Incident Response Teams (CSIRTs) und Security Operations Centers (SOCs). 4
Durch die Umsetzung dieser internationalen Maßnahmen wird die Resilienz Kritischer Infrastrukturen auf europäischer Ebene gestärkt, was sich auch in Deutschland auf nationale Initiativen auswirkt.
Nationale Cybersicherheitsstrategie in Deutschland
Deutschland verfolgt seit 2011 eine eigene Cybersicherheitsstrategie, die kontinuierlich an die sich verändernden Bedrohungslagen angepasst wird. Diese dient auch als Orientierung für internationale Partner, Unternehmen und Staaten, um ein gemeinsames Verständnis von Cybersicherheit zu fördern und Deutschlands Position in diesem Bereich klar zu kommunizieren. Ein entscheidender Schritt war 2016 die Einführung einer offensiven Verteidigungsstrategie gegen Cyberangriffe. Deutschland setzt auf eine enge Zusammenarbeit zwischen militärischen, behördlichen und zivilen Institutionen, um der Komplexität der Cyberbedrohungen zu begegnen. Ein zentraler Bestandteil dieser Strategie ist das Cyberkommando, das seit 2021 operativ ist und eine zentrale Rolle bei der Abwehr von Cyberangriffen spielt. 5
Maßnahmen zur Stärkung der Cybersicherheit
Prävention ist der Schlüssel: Der Schutz vor Cyberangriffen beginnt mit präventiven Maßnahmen. Betreiber Kritischer Infrastrukturen sollten Cybersicherheit nicht als Nebensache sehen, sondern als integralen Bestandteil ihrer Sicherheitsstrategie – auch auf kommunaler Ebene. Dazu gehört ein proaktives Risikomanagement, regelmäßige Schulungen für Mitarbeiter und die Verwendung moderner Technologien wie Firewalls und Intrusion Detection Systems (IDS). Darüber hinaus spielt der Staat eine wichtige Rolle, indem er Forschung und Entwicklung im Bereich Cybersicherheit fördert und so neue Lösungen zur Abwehr von Bedrohungen ermöglicht. Letztendlich scheint eine strengere Regulierung durch gesetzliche Auflagen unerlässlich, um einen ganzheitlichen, grenzüberschreitenden Schutz zu gewährleisten.
Im Ernstfall schnell handeln: Reaktive Maßnahmen sind ebenso entscheidend. Wenn ein Angriff doch erfolgreich ist, müssen Notfallpläne und Krisenmechanismen greifen. Hierbei ist es essentiell, dass Schlüsselrollen, Kommunikationskanäle und Zuständigkeiten bereits vor Ereigniseintritt festgelegt sind. Der Schlüssel zum Erfolg in einer solchen Situation ist die schnelle Reaktion – und auch hier ist Zusammenarbeit gefragt. Der Austausch von Informationen und Ressourcen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren ist notwendig, um den Schaden zu begrenzen und den Normalbetrieb schnell wiederherzustellen.
Gemeinsam sind wir stärker: Die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen, Unternehmen und Branchenverbänden ist entscheidend, um die Widerstandsfähigkeit Kritischer Infrastrukturen zu erhöhen. Public-Private Partnerships bieten ein effektives Modell, um Ressourcen zu bündeln, Informationen auszutauschen und gemeinsam Sicherheitsstrategien zu entwickeln. Im Bereich der Cybersicherheit wird jedoch viel zu selten auf diese Kooperationsform zurückgegriffen. Der Staat muss zudem Anreize schaffen, damit Unternehmen in ihre IT-Sicherheit investieren. Dazu gehören steuerliche Vorteile für Sicherheitsausgaben, Förderprogramme für innovative Technologien und Forschung sowie Zertifizierungen als Wettbewerbsbonus. Solche Maßnahmen stärken nicht nur die individuelle Sicherheitslage, sondern erhöhen die Resilienz der gesamten Infrastruktur – ein gemeinsames Engagement, das unverzichtbar ist, um modernen Cyberbedrohungen zu begegnen.
Fazit: Ein kontinuierlicher Prozess der Anpassung
Kritische Infrastrukturen werden künftig zunehmend im Fokus von Cyberbedrohungen stehen, was den Schutz dieser Systeme zu einer gemeinsamen Aufgabe macht. Es wäre unverhältnismäßig, die Verantwortung allein den Betreibern zu übertragen; vielmehr erfordert es eine enge Zusammenarbeit. Die Cybersicherheit von Kritischen Infrastrukturen ist eine kontinuierliche Herausforderung, die nur durch eine enge Kooperation von Staat, Wirtschaft und internationalen Partnern bewältigt werden kann. Nationale und EU-weite Strategien leisten dabei wichtige Beiträge, um die Resilienz gegenüber Angriffen zu verbessern. Dennoch entwickelt sich Cybersicherheit zu einer langfristigen strategischen Herausforderung auf nationaler und internationaler Ebene.
Entscheidend ist jedoch, nicht nur auf Gefahren zu reagieren, sondern durch präventive Ansätze und staatliche Anreize stets einen Schritt voraus zu sein. Eine dynamische Anpassung an neue Risiken und eine abgestimmte Zusammenarbeit sind unverzichtbar, um die Sicherheit und Funktionsfähigkeit Kritischer Infrastrukturen langfristig zu gewährleisten.
Quellenangaben
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Literatur
1 Jacuch, A. (2020). Countering Hybrid Threats: Resilience in the EU and NATO’s Strategies. The Copernicus Journal of Political Studies (Nr. 1 in 2020).
2 §8 BSI-Act, Artikel 1 G. v. 14.08.2009 BGBl. I S. 2821 (Nr. 54); zuletzt geändert durch Artikel 12 G. v. 23.06.2021 BGBl. I S. 1982.
3 Daase, C., & Deitelhoff, N. (2013). Privatisierung der Sicherheit. Eine sozialwissenschaftliche Studie. Forschungsforum Öffentliche Sicherheit (Schriftenreihe Sicherheit Nr. 11).
5 Marrone, A., & Sabatino, E. (2021). Cyber Defence in NATO Countries: Comparing Models.
4European Commission. (2020). Joint Communication to the European Parliament and the Council. The EU’s Cybersecurity Strategy for the Digital Decade.