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Virtuelle Demokratie – Neue Beteiligungsformen der Zukunft

Virtuelle Demokratie – Neue Beteiligungsformen der Zukunft

Virtuelle Demokratie – Neue Beteiligungsformen der Zukunft

Die Geschehnisse der letzten Jahre haben sie offenbart, die scheinbar unbändige Kraft des Internets und der Sozialen Medien. Während des Arabischen Frühlings wurden im Nahen Osten Regime gestürzt, indem sich über die sozialen Medien vernetzt wurde. Auch in der Türkei war es nur dank des Internets möglich, sich in der Form zu organisieren, wie es getan wurde. Die Occupy- Bewegung hat nahezu die ganze Welt umspannt und die Hackergruppe Anonymus ist in der Lage, Veränderungen zu schaffen, die Politiker kaum für möglich halten.

Die Vision einer digitalen Agora
Die Politik hat diese Kraft des Internets längst erkannt und debattiert über Möglichkeiten, wie man sie in Zukunft demokratiefördernd einsetzen kann. Die Dimension des öffentlichen Raums verändert sich, das soziale Leben spielt sich zu großen Teilen virtuell ab. Daran muss sich auch die Politik anpassen. Dieser Faktor muss in die politische Willensbildung mit einbezogen werden. Politische Partizipation muss neu definiert werden.

Electronic Democracy oder E-Democracy ist die Vision davon, wie demokratische Prozesse durch digitale Informations- und Kommunikationstechnologien verändert werden können. Unterkategorien der E-Democracy bilden dabei die elektronische Durchführung administrativ-demokratischer Prozesse (E-Government/ E-Administration), alle Formen der Online Beteiligung (E-Participation) und elektronisch gestützte Wahlen (E-Voting). Gestützt werden diese Prozesse der Idee nach durch Open Data. Die Idee dahinter ist die, dass Daten aus der öffentlich gereichten Hand für jeden verfügbar und zugänglich werden. Dies wird möglich, wenn Staat und Verwaltung sich gegenüber der Bevölkerung und der Wirtschaft öffnen (Open Government).

Doch was genau ist die Idee, die hinter diesen Begriffen steckt? Erhofft wird sich eine Art elektronischer Agora; ein virtueller Versammlungsplatz, der die Menschen dazu ermutigt sich auszutauschen und Politik aktiv mitzugestalten. Nie war die Chance dies zu erreichen so groß, wie seit der Entwicklung der sozialen Medien. Das Internet bietet plötzlich Menschen die Chance zur Partizipation, für die dies vorher unmöglich war. Menschen, die ihr Zuhause nur schwer verlassen können, weil sie krank sind oder sich um Angehörige kümmern müssen. Menschen, die an physischen Versammlungen nicht teilnehmen können, weil sie zu viel arbeiten oder abgelegen wohnen. Im sicheren Raum, bequem von zu Hause aus, könnte es vielen Menschen leichter fallen, sich zu mobilisieren; so die Hoffnung. Wer lange arbeitet wird vermutlich eher bereit dazu sein, sich politisch zu engagieren, wenn er dies vom Sofa zu Hause aus tun kann, als wenn er sich zu einer Versammlung aufmachen muss. Menschen, die schüchtern sind und sich in einer Gruppe nicht trauen würden, ihre Meinung zu sagen, werden durch die Anonymität des Internets ermutigt. Auch weil Informationen nur einen Klick entfernt sind, wenn ihnen die Argumente oder das Wissen fehlen.

Die Politik lebt von diesem Online-Austausch, da neue Diskurse angeregt und wichtige Themen an die Politik herangetragen werden können. Für Politiker fällt es über das Internet viel leichter, mit den Bürgern in Kontakt zu treten und umgekehrt. Das Internet bietet die Chance, die ganze Welt miteinander zu vernetzen und somit globale Diskurse über die wichtigen Themen der Zukunft anzuregen. Von Bürgerbeteiligungsprojekten bis hin zu elektronischen Abstimmungsverfahren sind den Möglichkeiten keine Grenzen gesetzt. Im Internet kann eine neue Form der Meinungsfreiheit geschaffen werden, die für eine lebhafte Demokratie die Grundvoraussetzung darstellt.

Die Angst vor digitaler Spaltung
Was auf dem Papier zunächst so gut und hoffnungsvoll klingt, hat jedoch noch eine Menge Schwachstellen. Viele Aspekte, die Menschen an der Partizipation hindern, können auf digitalem Wege umgangen werden. Doch gleichzeitig tun sich neue Hürden auf, die andere Personen daran hindern, an dem Diskurs teilzunehmen. Die Rede ist häufig vom digital divide, womit der ungleiche Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien gemeint ist. Häufig verläuft diese Trennung parallel zu den sozialen Trennlinien. Voraussetzung um teilnehmen zu können ist zunächst einmal der Zugang zu den technischen Gegebenheiten, der immer noch vielen – häufig einkommensschwachen oder ländlich wohnenden – Menschen fehlt. Gehör und Glauben finden bei der schriftlichen Diskussion vor allem diejenigen, die sich eloquent ausdrücken und sicher im Verfassen von Texten sind. Eine gute Meinung oder Idee bleibt oft ungehört, wenn ihr Urheber nicht in der Lage ist verständlich zu schreiben oder seine Kompetenz durch mangelnde Rechtschreibung verdeckt wird. Eine weitere Voraussetzung für die Teilhabe ist die Kompetenz im Umgang mit Computern und sozialen Medien. Die sogenannten digital natives haben hier einen klaren Vorteil den digital immigrants gegenüber. Die Chancen, ihre Meinung in den Diskurs einzubringen sind somit für jüngere Menschen größer als für ältere – auch wenn der demografische Wandel gerade deren Belange immer wichtiger macht.

In der anonymisierten Welt des Internets fällt es leicht, extreme Positionen einzunehmen. Gerade weil eine Strafverfolgung schwierig bis unmöglich ist, können diskriminierende oder gar verfassungsfeindliche Positionen besser vertreten werden. Die Gruppendynamik im Internet ist zudem eine ganz andere, als in der realen Welt. Meinungsführer können Gruppen durch falsche Informationen leichter manipulieren. Wer geübt im Umgang mit sozialen Medien ist, hat vermutlich eine weitaus höhere Chance, Meinungen auf seine Seite zu ziehen. Für die Politik ist es schwer, diesen Entwicklungen Herr zu werden. Auch, da sich die Dynamiken im Netz viel zu rasant entwickeln und häufig nicht nachverfolgen lassen.

Durch die schiere Masse an Informationen wird es schwer, sie zu filtern und zwischen dem zu unterscheiden, was richtig und was falsch ist. Die wahnsinnig hohe Anzahl der Nutzer macht es außerdem schwer, den Überblick darüber zu behalten, wer an einem wahrheitsgetreuen politischen Austausch interessiert ist und wer nur das Ziel der Meinungsmache und Verbreitung von Falschmeldungen verfolgt.

Auch für die Politik wird es schwer, den Überfluss an Meinungen zu bündeln und konkrete sowie umsetzbare Forderungen daraus abzuleiten. Auf Grund der Angst vor Manipulationen und technischen Unsicherheiten fehlen bislang Gesetzesgrundlagen, die die E-Democracy und vor allem das E-Voting in einem geregelten Rahmen zulassen. Wahlfälschung kann ganz neue Dimensionen annehmen, wenn es nicht mehr darum geht, einzelne Stimmzettel zu fälschen, sondern mit ein wenig technischem Know-How Tausende von Stimmen zu manipulieren.

Elektronische Demokratie kann die Politik revolutionieren. Die Vision einer wiederbelebten Diskussionskultur, an der global von überall her teilgenommen werden und Politik „vom Sofa aus“ gemacht werden kann, ist bestechlich. Gleichzeitig muss man sich darüber klar werden, dass Störenfriede und Demokratiefeinde ganz neue Werkzeuge in die Hand bekommen, den Prozess und die Demokratie zu untergraben. Möchte man außerdem Zugangshürden herabsetzen und die Beteiligung für alle ermöglichen, muss man noch einen langen Weg gehen. Denn bislang sind wir noch weit davon entfernt, für alle Menschen dieselben Grundvoraussetzungen geschaffen zu haben und so wirklich eine lebendige Online- Demokratie zu führen.

Quellenangaben 
Titelbild von Murray_SH – pixabay.com

Über den Autor

Uwe Gerstenberg, geboren 1961 in Berlin, schied 1987 als Offizier aus der Bundeswehr aus. Als Militärpolizist war er national und international im Einsatz und in den letzten Jahren seiner Dienstzeit in der Sicherungsgruppe des Bundesministeriums für Verteidigung beschäftigt. ⇒ mehr erfahren

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