Im eigenen Auto von Süddeutschland bis an die Nordsee fahren, ohne ein einziges Mal das Lenkrad in die Hand zu nehmen? Unterwegs Textnachrichten schreiben, telefonieren oder sogar ein Nickerchen machen, ohne einen Unfall zu riskieren? Das sind einige der Visionen, die mit selbstfahrenden Autos verbunden werden. Voll automatisierte, intelligente Fahrzeuge, die vollkommen selbstständig fahren und Gefahrensituationen vermeiden, ohne dass der Fahrer eingreifen muss – oder sogar anwesend sein müsste.
Autonomes Fahren ist seit vielen Jahren ein viel diskutiertes Thema und die Fragen, die mit dem Fortschreiten der Technik aufkommen, werden immer komplexer. Am 20.06.2017 wurde der Abschlussbericht der von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eingesetzten „Ethik-Kommission für automatisiertes und vernetztes Fahren“ veröffentlicht, der sich mit einigen dieser Fragen beschäftigt.
Autonomes Fahren – Vom Einparkassistenten zum Roboterauto
Autos werden immer stärker automatisiert. Und das nicht erst seit Kurzem, auch wenn die Debatte darum in den letzten Jahren verstärkt in den Blick der Öffentlichkeit gerückt ist. Bereits zu Beginn des Jahrtausends unterstützten Assistenzsysteme den Fahrer – der erste Schritt auf dem Weg zum vollständig autonomen Fahren. Ein Weg, der laut Prognosen noch in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts beendet sein kann. Behörden, Hersteller und Experten haben Pläne entwickelt, wie die Vision vom selbstfahrenden Auto schrittweise erreicht werden kann. Diese Pläne ähneln sich im Wesentlichen. Ihnen gemein sind fünf definierte Stufen auf dem Weg zum Roboterauto, bei denen wir uns aktuell etwa auf halber Strecke befinden. Die Stufe null ist dabei der Ausgangspunkt, die technisch fortschrittlichsten Neuwagen liegen zwischen Stufe zwei und drei. Zum jetzigen Zeitpunkt können Computer bereits Fahrfunktionen übernehmen, der Fahrer muss jedoch jederzeit eingreifen können. Seit etwa anderthalb Jahrzehnten sind die ersten Autonomietechniken auf der Straße. Vermutlich wird es noch einmal genauso lange dauern, bis Autos vollkommen autonom fahren können. Ein Überblick über die Evolution der autonomen Fahrzeuge:
Stufe eins – Einfache partikulare Steuerung
Bereits zum Anfang der 2000er Jahre kamen Neuwagen mit adaptiven Tempomaten auf den Markt. Diese können entweder die Lenkung oder Gas und Steuerung übernehmen. Während der Fahrt wird kontinuierlich der Abstand zum Vordermann gemessen und das Tempo durch den Geschwindigkeitsmesser angepasst. Vor etwa einem Jahrzehnt kamen selbstlenkende Einparkhilfen und Spurhalteassistenten dazu.
Stufe zwei – Erweiterte Steuerung
Die nächste Entwicklungsstufe waren Fahrzeuge, bei denen in bestimmten Fällen sowohl Gas und Bremse als auch die Lenkung übernommen werden konnten; beispielsweise durch einen Stauassistenten im Stop and Go Verkehr. Grundvoraussetzung dabei sind die dauerhafte Überwachung und permanente Eingriffsmöglichkeiten durch den Fahrer.
Stufe drei – Erstes autonomes Fahren
Erste Testfahrzeuge, die sich auf dieser Entwicklungsstufe befinden, sind bereits im Einsatz. In diesem Stadium werden die Leistungsgrenzen durch das System selbst definiert, das den Fahrer nur bei Bedarf auffordert, selbst aktiv zu werden. So ist es dem Fahrer möglich, zwischendurch abzuschalten und sich anderweitig zu beschäftigen. Die Fahraufgaben müssen dabei innerhalb einer bestimmten Zeit wieder übernommen werden können. Bekannt ist dieses Prinzip als Autopilot. Vermutlich werden bereits während des kommenden Jahrzehnt Systeme in Neuwagen zu haben sein, die auf der Autobahn das Fahren vollkommen autonom übernehmen werden. Und das obwohl es mit einem solchen System erst kürzlich zu einem medial vielbeachteten tödlichen Unfall in den USA kam, bei dem die Sensoren einen Sattelschlepper vor dem grauen Himmel nicht erkannten.
Stufe vier – Vollautomatisches Fahren
Die erste Entwicklungsstufe, auf der das Auto vollkommen automatisch gefahren werden kann. Dies bedeutet, dass das System in definierten Fällen vollständig, dauerhaft und zuverlässig das Steuer übernimmt. Auch in Gefahrensituationen kann das Auto selbstständig reagieren. Dabei werden die Sinne des Fahrers durch die Umfeldbeobachtung ersetzt, weshalb diese einwandfrei funktionieren muss. Diese erste Form des Roboterautos kann in bestimmten Situationen und klar definierten Umfeldern vollkommen autonom fahren. Das können beispielsweise Busse auf klar festgelegten Strecken oder das Navigieren und Einparken im Parkhaus sein. Erstes autonomes Fahren von Serienwagen wird vermutlich noch in diesem Jahrzehnt kommen (in anderen Ländern sind bereits automatisierte Busse im Einsatz), bis zum autonomen Fahren in der Stadt wird es vermutlich noch länger dauern.
Stufe fünf – Das Roboterauto
Die letzte Entwicklungsstufe, bei der das System alle Fahrerleistungen selbstständig übernehmen kann, wird voraussichtlich nicht vor Ende der 2020er Jahre auf den Markt kommen, so schätzen Experten. Beim vollautomatischen Fahren werden dann weder Lenkung noch Pedale benötigt. Und auch kein menschlicher Fahrer mehr.
Der Traum vom Roboterauto
Hersteller und Wissenschaftler sehen viele Vorteile, die Roboterautos bieten können. Der praktische Nutzen liegt auf der Hand: das Fahren wird sehr viel komfortabler, auch lange Strecken können ohne Ermüdungserscheinungen hinter sich gebracht werden. Dieser Aspekt ist gerade für Berufsfahrer und Logistikunternehmen interessant. Neben dem Komfort steht bei dieser Vision vor allem die Sicherheit im Vordergrund. Die zunehmende Verkehrsdichte erfordert immer mehr Aufmerksamkeit vom Fahrer. Somit steigen auch das Fehlerpotential und die damit verbundene Anzahl an Verkehrstoten. Der Mensch ist immer noch der größte Unsicherheitsfaktor im Verkehr; 90 Prozent der Unfälle sind auf menschliches Versagen zurückzuführen. Diese Zahl könnte durch die Software drastisch reduziert werden, da diese sich immer an Geschwindigkeitsbegrenzungen hält, Ermüdungserscheinungen verhindert bzw. irrelevant macht und im Bruchteil von Sekunden reagieren kann.
Doch auch weitere Vorteile liegen nahe. So können Staus vermieden werden, da die Software in der Lage ist, Reißverschlussverfahren immer korrekt anzuwenden und an grünen Ampeln stets verkehrsflussfördernd anzufahren. Dadurch wird auch die Energiebilanz verbessert, was unter Umweltaspekten interessant ist. Studenten des MIT haben ein Konzept für die Stadt Singapur entwickelt, mit dem sich in der Megastadt der Verkehr sowie die durch abgestellte Autos benötigte Fläche drastisch verringern können. Eine Idee, die für viele Großstädte interessant ist, die unter dem immer höheren Verkehrsaufkommen zusammenzubrechen drohen.
Wenn Autos über Leben und Tod entscheiden
Trotz der vielen Vorteile, die selbstfahrende Autos mit sich bringen, gibt es enorme Vorbehalte. Neben Argumenten wie denen, dass der Fahrspaß verloren geht, Jobs wegfallen oder anfänglich hohe Entwicklungskosten anstehen, wiegt eine Frage besonders schwer: Können und dürfen Maschinen jemals in der Lage sein, über Leben und Tod von Menschen zu entscheiden? Ist es möglich Maschinen so zu programmieren, dass sie moralische Entscheidungen treffen? Gibt es im Falle eines unvermeidbaren Unfalls überhaupt eine moralisch richtige Entscheidung?
All dies waren Fragen, mit denen sich die vom Bundestag eingesetzte Ethikkommission befasst hat. Sie kam zu dem Schluss, dass Situationen, in denen Leben und Tod auf dem Spiel stehen, weder normier- noch programmierbar sind. Solche Entscheidungen sind immer von der konkreten tatsächlichen Situation „unter Einschluss ‚unberechenbarer‘ Verhaltensweisen Betroffener abhängig“, so steht es in ihrem Abschlussbericht. Moralische Entscheidungen müssen in komplexen Situationen intuitiv getroffen werden; eine Aufgabe, zu der Maschinen nicht in der Lage sind.
Die Hoffnung der Hersteller ist die, dass die Autos die Verkehrsführung derart kollisionsfrei gestalten können, dass es gar nicht erst zu schweren Dilemmata kommt. Laut Meinung der Sachverständigen muss der Schutz menschlichen Lebens im Falle eines unvermeidbaren Unfalls immer höchste Priorität haben. Dazu gehört auch, dass Tier- und Sachschäden immer Vorrang vor Personenschäden haben müssen. Doch was, wenn ein Personenschaden unvermeidlich ist? Gedankenexperimente wie jenes, bei der das Auto abwägen muss zwischen dem Leben einer alten und zwei jungen Personen, sind hinreichend bekannt. Die Experten fordern, dass im Falle eines Unfalles jede Qualifizierung nach persönlichen Merkmalen und ein Aufwiegen von Menschenleben untersagt wird. Die einzige vertretbare Option sei eine Programmierung, die auf eine Verminderung von Personenschäden ausgerichtet sei. Die Frage, die jedoch weder von Ethikräten noch von Programmierern bis jetzt ausreichend beantwortet werden konnte, ist die, nach welchen Kriterien sich ein Roboterauto im Falle eines unvermeidlichen Unfalls dann verhalten sollte. Ebenso wenig eindeutig ist die Frage, wer im Falle eines autonom durch das Auto verursachten Unfalles haftbar gemacht wird.
Und noch ein Aspekt ist ethisch höchst bedenklich. Die zentral gesteuerten und vollständig vernetzten Fahrzeuge sammeln Unmengen an Daten über die Fahrer. Datenschützer fürchten eine Totalüberwachung – und auch Manipulationen der Fahrzeugsteuerung können bis jetzt nicht ausgeschlossen werden.
Dies sind wohl nur einige der Gründe, warum viele Menschen Angst vor der Vision von vollkommen autonomen, mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten Autos haben. Bis sowohl die Technik als auch die Gesetzeslage so weit optimiert sind, dass die Vorteile eindeutig überwiegen, wird noch einige Zeit vergehen. Klar ist jedoch: Selbstständig fahrende Roboterautos sind keine Science Fiction mehr!
Quellenangaben
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