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Uber, Lieferando…Personenschutz?

Uber, Lieferando…Personenschutz?

Uber, Lieferando…Personenschutz?

„Schatz, bestell bitte noch kurz einen Personenschützer für meinen Shopping-Trip nach Mailand, ja?“ – Ist dies die Zukunft des Personenschutzes oder die Abwertung eines ehrbaren Berufs?

In den USA ist es mittlerweile möglich, bewaffnete Personenschützer über eine App zu bestellen. Die App „Protector“, entwickelt von dem ehemaligen Meta-Mitarbeiter Nick Sarath, ermöglicht es wohlhabenden Nutzern, Personenschützer für eine Mindestdauer von fünf Stunden auf Knopfdruck zu buchen. Bei 200$ pro Stunde, kommt man also auf einen Mindestbestellwert von 1.000$ im Grundpreis. Dabei können Nutzer die Anzahl der Schützer, deren beruflichen Hintergrund sowie ihr Aussehen und den Dresscode auswählen. Soll es lieber ein ehemaliger Militär- oder ein Strafverfolgungsbeamter sein? Taktisch-legere Kleidung oder doch der gepanzerte Look? Selbst ein Fahrzeugkonvoi kann optional hinzugebucht werden. Die jährlichen Nutzungskosten der App belaufen sich auf 129$ im Jahr.

Die Vorteile: Bequemlichkeit und Flexibilität
Der Hauptzweck von Apps ist es, Dinge einfacher zu machen – und genau das ist das Ziel von Protector. Der Entwickler Sarath erklärt: „Private Sicherheit sollte schnell und einfach sein, nicht umständlich oder stressig. [Bei den traditionellen Beauftragungen] ist es wie ein Labyrinth, durch das man gehen muss, um verschiedene Sicherheitswebsites zu überprüfen.“

Gerade für Frauen, die allein reisen, oder Personen, die sich in gefährlichen Gegenden aufhalten, kann ein einfacher und flexibler Schutz dazu beitragen, Raubüberfälle und andere Straftaten präventiv zu verhindern. Der Dienst funktioniert auf Abruf, wodurch Sicherheit für eine breitere Masse zugänglich wird.

Außerdem ist die App nicht das erste Projekt von Nick Sarath. Neben Protector entwickelte er auch die App „Patrol“, mit der Bewohner von Vororten gemeinsam private Sicherheitsdienste für ihre Nachbarschaft finanzieren können. Dies zeigt, dass seine Ideen darauf abzielen, Sicherheit durch Digitalisierung effizienter zu gestalten.

Die Risiken: Datenschutz und Würde des Berufs
Sicherheit als Produkt ist jedoch ein zweischneidiges Schwert: Einerseits soll sie einfach zugänglich sein, andererseits muss Sicherheit immer mit Diskretion und Integrität einhergehen.

Ein zentrales Problem ist der Datenschutz. Da die App persönliche Daten speichert, könnten Hacker genauso einfach wie die Nutzer selbst an Informationen über Schutzpersonen und Personenschützer gelangen. Auch Täter, die nicht technisch versiert sind, können sich einfach die App herunterladen und sich über Schutzmaßnahmen informieren – was kriminellen Handlungen Vorschub leisten könnte.

Zusätzlich besteht die Gefahr, dass der Personenschutz durch die App als „Lieferservice“ wahrgenommen wird. Professionelle Personenschützer absolvieren eine intensive und anspruchsvolle Ausbildung, um Menschenleben zu schützen – eine Aufgabe, die mit großer Verantwortung verbunden ist. Durch die Buchung per App könnte ihr Beruf an Ansehen verlieren.

Gefahren durch Social Media 
Ein weiteres Problem ist die unkontrollierte Verbreitung sensibler Informationen. Influencer auf TikTok posten Shopping-Sessions mit ihren beauftragten „Bodyguards“, oft mit humorvollen Meme-Sounds unterlegt – unbeabsichtigt aber eine Goldgrube für Kriminelle.

Denn durch solche Posts werden ungewollt Ort, Zeit, das Aussehen der Schutzperson, ihrer Begleiter und sogar Fahrzeugkennzeichen preisgegeben. Kriminelle nutzen Social Media längst gezielt, um potenzielle Opfer auszuspionieren. Experten warnen schon lange davor, Urlaubsbilder in Echtzeit zu posten, da dies bereits zu zahlreichen Einbrüchen geführt hat.

Hindernisse & Standards
Die Frage der Servicequalität ist eine essenzielle. Wie gut sind die Personenschützer wirklich, und wer birgt für ihre Kenntnisse? Welche Kapazitäten sind überhaupt verfügbar? In Deutschland bspw. herrscht ein starker Mangel an qualifizierten Personenschützern. Das wiederum wirft die Frage auf, ob ein qualifizierter, qualitativ hochwertiger Personenschutz auf Knopfdruck überhaupt abbildbar wäre. In Anbetracht der aktuellen Personalsituation, ist diese Frage mit einem definitiven „Nein“ zu beantworten. Deutschlandweit gibt es gerade mal rund 800 zertifizierte Personenschützer. Dies könnte Trittbrettfahrer, die ähnliche Apps programmieren, dazu verleiten, Leistungen als Personenschutz zu verkaufen, die gar keine sind.

Expansion und Zukunft der App
Derzeit ist Protector nur in New York City und Los Angeles sowie ausschließlich für iOS-Nutzer verfügbar. Allerdings planen die Entwickler eine Expansion in weitere US-Städte wie Miami, Washington D.C. und San Francisco. Der europäische Markt spielt momentan keine Rolle.

Ähnliche Sicherheits-Apps gibt es bereits in Deutschland, darunter „ProtectMii“ und „SoloProtect Mobile“. Diese konzentrieren sich jedoch auf persönliche Sicherheit durch Alarmierung und Standortverfolgung und bieten keine direkte Buchung von Personenschützern.

Fazit – Zukunft der Sicherheitsbranche oder fragwürdige Entwicklung?
Ob sich diese App in Deutschland durchsetzen könnte, bleibt fraglich. Während in den USA der digitale Personenschutz boomt, könnte in Europa der hohe Datenschutzstandard sowie das Sicherheitsverständnis der Gesellschaft eine Hürde darstellen. Die angesprochenen Fachkräftemängel spielen hier ebenfalls eine zentrale Rolle.

Was jedoch sicher ist: Die Digitalisierung im Sicherheitsgewerbe ist unausweichlich. Apps wie Protector zeigen, dass moderne Technologien bereits Einzug in sicherheitsrelevante Branchen halten. Die Herausforderung besteht darin, Sicherheit effizienter und zugänglicher zu gestalten, ohne dabei die Risiken zu vernachlässigen.

Protector zählt bereits jetzt zu den bestbewerteten kostenlosen iOS-Apps – ob sie jedoch das Sicherheitsgewerbe revolutioniert oder nur eine Marktlücke für Wohlhabende füllt, bleibt abzuwarten.

Hier ein abschließender Kommentar von Stefan Bisanz, Sicherheitsexperte mit über 40-jähriger Erfahrung und öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Personenschutz:
„Ich erachte diese App als äußerst unseriös. Ein Anbieter, der bequemen Zugang zur Sicherheit der Allgemeinheit verspricht, sie aber kostentechnisch nur einer bestimmten Klientel zugänglich macht, spricht von Anfang an nicht die Wahrheit. Und das Personenschutzgeschäft basiert nun mal auf vollkommenem Vertrauen – und zwar gegenseitigem: Die Schutzperson vertraut dem Personenschützer ihr Leben an, der Personenschützer riskiert sein Leben für die Person.

Wie soll das nach fünf Minuten Kennenlernen der Fall sein? Welche politischen oder sozialen Hintergründe hat die Schutzperson? Hat die Person Feinde oder war sie bereits in der Vergangenheit Ziel von Gewalttaten? Zum Beruf gehört nicht nur physische Präsenz und akute Gefahrenabwehr, sondern auch eine tiefgehende Recherche und eine persönliche Bindung zwischen Schützer und Beschütztem.

Ebenso verhält es sich mit dem Zielort der Schutzperson. Es bedarf einer gründlichen Voraufklärung, der Bestimmung von Fluchtwegen usw. So aber gleicht die App einer Spielerei, die nichts mit tatsächlichem Personenschutz zu tun hat. Wer auf der Suche nach vollumfänglichem Schutz vor Bedrohungen ist, für den ist ein solches Angebot nicht nur eine Geldverschwendung, sondern im schlimmsten Fall ein Sicherheitsrisiko.“

Quellenangaben
Titelbild von Artur – stock.adobe.com

Über den Autor

Christopher Castner ist Analyist und Berater bei der consulting plus GmbH. In 2017 machte Christopher Castner seinen Masterabschluss als Politischer Psychologe. Seine anfänglichen Berufserfahrungen in der Wissenschaft, sammelte er als Mitarbeiter an der Hochschule Osnabrück. ⇒ mehr erfahren

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