Wir sind dabei, den Bezug zur Realität zu verlieren. Das dringendste Problem, was wir haben, wird von der Politik eher im Verborgenen bearbeitet, und die Medien verschließen die Augen vor der heraufziehenden Bedrohung für Deutschland, Europa und die gesamte westliche Welt. Die Bösewichte verbünden sich, um die internationalen Machtverhältnisse neu zu ordnen.
Es wirkt wie das Drehbuch des neuesten James-Bond-Films, doch es ist Realität. Wir alle sind Statisten in dem großen Weltspiel – jedoch es ist kein Spiel, sondern bitterer Ernst.
Russlands Angriffe auf NATO-Territorium
Seit der russischen Invasion der Ukraine haben sich Russlands Sabotageakte in Nordamerika und Europa verstärkt. Diese hybriden Kriegsführungskampagnen zeigen Russlands grenzenlose Außenpolitik. Parallel dazu führt Russland einen Schattenkrieg gegen die NATO, um das Bündnis zu destabilisieren und von der Unterstützung der Ukraine abzubringen.
In den vergangenen Monaten waren mehrere Telekommunikations- und Stromkabel in der Ostsee beschädigt worden. Westliche Experten und Politiker betrachten diese Vorfälle als Sabotageakte und machen Russland verantwortlich.
Mit einer Schattenflotte, unter fremder Flagge, umgeht Russland das nach Beginn seines Kriegs gegen die Ukraine verhängte Öl-Embargo. Nachdem am ersten Weihnachtstag mehrere Unterseekabel beschädigt worden waren, hatten die finnischen Behörden einen in Russland gestarteten Tanker gestoppt. Das Schiff hatte den Schaden mutmaßlich durch seinen am Boden schleifenden Anker verursacht und wird verdächtigt, zur Schattenflotte zu gehören.
Die Spannungen im Ostseeraum haben seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 zugenommen. Als Reaktion auf den Krieg waren die lange bündnisfreien nordischen Staaten Schweden und Finnland der NATO beigetreten.1
Laut Bericht der Helsinki Kommission2 wurden seit Beginn der russischen Invasion der Ukraine fast 150 hybride Operationen Russlands auf NATO-Gebiet bestätigt oder vermutet. Diese Operationen lassen sich in vier Kategorien einteilen: Angriffe auf kritische Infrastrukturen, Gewaltkampagnen, bewaffnete Migration sowie Wahlbeeinflussung und Informationskampagnen.3
Kein Krieg, aber auch kein Frieden.
Russlands aktive Maßnahmen innerhalb der NATO sind effektiv, da sie unterhalb der Kriegsschwelle bleiben. Die Eskalation der hybriden Kampagnen zeigt jedoch eine gezielte Haltung gegenüber dem transatlantischen Bündnis, die mit der Invasion in der Ukraine einhergeht. Diese Kampagnen reichen von Cyberangriffen bis hin zu versuchten Attentaten und Terroranschlägen. Seit 2022 gleichen sie einem verdeckten Schattenkrieg.
Es geht nur gemeinsam. Die Bedrohungslage in Europa steigt und anhand der Sabotageakte befindet sich die NATO derzeit nicht mehr in einem wirklichen Friedenszustand.4 Staatliche Aggressionen seitens Russland, dem Iran und ihren Verbündeten zielen explizit auf einzelne Nato-Mitgliedsstaaten, die dann hybriden Angriffen ausgesetzt sind, welche nicht mit Raketen und Soldaten ausgeführt werden.
Bei hybriden Angriffen werden Mittel der nicht-klassischen Kriegsführung in verschleierter Form eingesetzt, um anderen Ländern zu schaden. Die Angriffe sind maßgeschneidert und umfassen das volle Spektrum: Drohnen gegen kritische Infrastruktur, Agenten für die gezielte Sabotage von Strommasten und großangelegte Fake-News-Kampagnen zur Diskreditierung von Politikern und Behörden.
Sollte sich die Lage weiter verschärfen, könnten Wehrpflicht und Einberufungen die angespannte Situation zusätzlich belasten. Deutschland, als zentrales NATO-Drehkreuz, spielt eine logistische Schlüsselrolle, durch die im Ernstfall bis zu 500.000 Soldaten in alle Himmelsrichtungen transportiert werden müssen.
Eine solche Verteidigung würde massiv Ressourcen beanspruchen und neue Fragen aufwerfen: Wer bewacht die kritische Infrastruktur, wenn militärische Kräfte mobilisiert werden? Wer sichert Krankenhäuser, Energieversorgung und öffentliche Plätze? Der demographische Wandel trifft staatliche wie private Organisationen gleichermaßen. Wenn der Staat zusätzliche Kapazitäten beansprucht, bleiben der Privatwirtschaft noch weniger Menschen.
Die Bedrohung ist real. Der Generalinspekteur der Bundeswehr warnt, dass spätestens 2029 eine Eskalation droht. Das Clausewitz Netzwerk für Strategische Studien5 hält diese Prognose für zu optimistisch und rechnet bereits 2027 mit einer Eskalation, die den Dominoeffekt auslösen könnte. Allen Beteiligten ist klar, Russland wird die NATO testen.
Bis dahin bleibt Zeit, das Zusammenspiel von Privat & Staat, Technologie & Mensch und Innovation & Bestand zu trainieren. Europa hat keine andere Wahl, als seine Ressourcen effizient zu nutzen, anstatt sich in Zuständigkeitsstreitigkeiten zu verlieren.
Unsere Antwort auf die Bedrohung – der Operationsplan Deutschland (OPLAN DEU)
Der OPLAN DEU ist ein strategisches Konzept zur Stärkung der Verteidigungs- und Sicherheitskapazitäten der Bundesrepublik angesichts neuer Bedrohungen. Er integriert militärische, zivile und infrastrukturelle Maßnahmen, um das Land vor hybriden Bedrohungen wie Cyberangriffen, Informationskrieg und Angriffen auf kritische Infrastrukturen zu schützen.
Im militärischen Bereich legt der OPLAN DEU den Fokus auf die Modernisierung der Bundeswehr, um schnelle Eingreifkapazitäten und territoriale Verteidigung auszubauen. Dazu gehören eine enge Kooperation mit NATO-Partnern und die Integration internationaler Verbündeter durch gemeinsame Übungen und eine bessere strategische Abstimmung.
Ein weiterer zentraler Bestandteil ist die Zusammenarbeit mit privaten Sicherheitsdienstleistern, besonders im Bereich der Überwachungs- und Sicherheitstechnologie. Der Plan sieht vor, private Dienstleister gezielt in die Sicherheitsstruktur zu integrieren, klare Kompetenzen zuzuweisen und den Datenaustausch datenschutzkonform zu regeln.
Zur Krisenvorsorge zählt die Sensibilisierung der Bevölkerung für Resilienz, Selbsthilfe und Krisenkommunikation. Informationsplattformen sollen im Ernstfall schnelle Orientierung bieten und die Handlungsfähigkeit stärken. Der Operationsplan Deutschland schafft eine ganzheitliche Sicherheitsstrategie, die alle relevanten Akteure einbindet und Deutschland auf ein hohes Maß an Widerstandsfähigkeit vorbereitet.
Die NATO-Staats- und Regierungschefs sind sich über die Absicht und das Ausmaß der russischen hybriden Operationen einig. Hybride Kriegsführung bedroht Gesellschaft und Demokratie. Die NATO wurde gegründet, um russischer Aggression entgegenzutreten, und Russlands Versuche, die Sicherheit und Stabilität der Bündnismitglieder zu untergraben, sind ein Affront gegen die Grundlagen und die Kernaufgabe des Bündnisses.
Das Sicherheitsgefühl der Deutschen hat einen neuen Tiefpunkt erreicht.6 Eine große Mehrheit sieht in Russland die größte Gefahr für den Frieden.7 61 Prozent der Bundesbürger machen sich große Sorgen, dass Deutschland in einen militärischen Konflikt verwickelt werden könnte. 79 Prozent der Deutschen sind der Ansicht, das von Russland derzeit die größte Gefahr für den Frieden in der Welt ausgeht.
Unser bisheriges Leben in Frieden und Freiheit ist in der Zukunft nicht mehr garantiert. Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit, sondern muss stets gegen Feinde von innen und außen verteidigt werden. Wenn wir dazu nicht in der Lage sind, gibt es keine Garantie für unseren Wohlstand in Freiheit.
Autor Uwe Gerstenberg ist Initiator des Future Safe House und der Initiative Vision.Zukunft.Sicherheit.
Quellangaben
Titelbild von Golib Tolibov – stock.adobe.com (geniert mit KI | redaktionelle Nutzung)
Literatur
1 AFP
2 Dieser Bericht basiert auf der Anhörung der Helsinki-Kommission vom September 2024 zum Thema „Russlands Schattenkrieg gegen die NATO“.
3 Dieser Bericht basiert auf der Anhörung der Helsinki-Kommission vom September 2024 zum Thema „Russlands Schattenkrieg gegen die NATO“.
4 Dr. Martin C. Wolff, Vorstand des Int. Clausewitz Zentrums
5 Dr. Martin C. Wolff, Vorstand des Clausewitz Netzwerks für Strategische Studien an der Führungsakademie der Bundeswehr
5 ISSUE 01, Nov. 2024 KRITIS & Cyber Dr. Martin C. Wolff
6 Repräsentative Umfrage des Allensbach-Institut
7 ntv-Artikel_30.01.25 Panorama – Putin ist am bedrohlichsten