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„O’grabscht is!“ – Wie Technik Frauen schützen kann

„O’grabscht is!“ – Wie Technik Frauen schützen kann

„O’grabscht is!“ – Wie Technik Frauen schützen kann

Betritt man das Oktoberfest und eines seiner vielen Festzelte, merkt man recht schnell, dass die Hemmschwellen am Eingang abgegeben werden. Während „fesche Buben und Madeln“ ausgelassen feiern und zu Musik mit einer Maß Bier auf Tischen tanzen, tun sich abseits der Geschehnisse Abgründe auf, die die Schattenseiten des größten Volksfests der Welt aufzeigen.

Zwischen Flirt und Übergriff
Die große Liebe finden. In Zeiten diverser Dating-Apps sehnen sich einige junge Menschen nach dem direkten Kontakt mit einer potenziellen Partnerin oder einem potenziellen Partner. Und das Oktoberfest bietet die Möglichkeit, frischen Pärchen eine aufregende und spaßige Zeit zu bereiten. Aber auch für viele Singles ist die Hoffnung groß, im Getümmel aus Lederhosen und Dirndln jemand Besonderen zu treffen, der zu ihnen passt. Dabei wird die Regel, wo man die Schleife am Dirndl trägt, nicht mehr so genau genommen, und vor allem männliche Bewerber nehmen das Balzverhalten auf. Doch nicht immer stoßen die Flirtversuche auf Gegenseitigkeit.

Zahlen, Studien und die große Dunkelziffer
Im Jahr kommt es zu rund 35 Anzeigen wegen Sexualstraftaten. Die Dunkelziffer fällt wohl deutlich höher aus. Die Polizei schätzt die Zahl der tatsächlich angezeigten Delikte wie Belästigung oder Übergrifflichkeiten auf gerade mal 2,2 % der tatsächlichen Fälle. Laut der Abschlussarbeit von Maren Schulze-Velmede an der Hochschule München haben 76 % der befragten weiblichen Bedienungen auf dem Oktoberfest sexuelle Belästigung erlebt. Scham, Angst und Hohn sorgen oft dafür, dass Opfer von sexueller Gewalt nicht nach vorne treten und die Delikte nie angezeigt werden. Durch das Mitführen von Fotokameras kann die Präsenz sexueller Straftaten dokumentiert und bestätigt werden. Ein aktuelles Beispiel bietet die Livestream-Übertragung auf der Social-Media-Plattform TikTok einer Influencerin, bei der sie von einem Mann bedrängt wurde.

Prävention: „Sichere Wiesn“ und mehr
Daher wirbt die Stadt München aktiv schon seit 2003 mit einer „Sicheren Wiesn für Mädchen und Frauen“. Konkret gibt es einen Infopoint und einen Safe Space, wo man sich Beratung einholen kann. In den letzten Jahren hat sich der einzelne Sicherheitsgedanke aber zu einem allgemeinen Bewusstsein weiterentwickelt, sodass auch strukturelle und technische Veränderungen dafür sorgen sollen, sexuelle Gewalt präventiv anzugehen. Neben Mitarbeiterschulungen und Infoflyern gibt es sogenannte SafeNow-Zonen.

Apps als digitale Schutzhelfer
Apps wie SafeNow, Guardy, My SOS Family und weitere werben mit dem Versprechen, Usern in Notlagen schneller und effizienter Hilfe zu verschaffen. Die Apps sind in der Regel kostenlos und für das Mobiltelefon einfach herunterzuladen. Die App SafeNow beispielsweise bietet einen besonders einfachen Notfallmechanismus: Über einen Ein-Button-Alarm reicht es, den Bildschirm gedrückt zu halten – lässt man los, wird automatisch ein Alarm ausgelöst. Dieser durchdringt den Stumm- oder Nicht-stören-Modus des Smartphones und löst eine laute, durchgehende Sirene aus. Während des Alarms überträgt die App den Standort in Echtzeit, nach Angaben des Anbieters hochpräzise, auch in Innenräumen bis „auf den Meter genau“. So können Sicherheitsteams in sogenannten SafeNow-Zones die betroffene Person schnell finden. Nutzerinnen und Nutzer können außerdem eigene Helfergruppen anlegen, zum Beispiel mit Familienmitgliedern, Freunden oder Kolleginnen und Kollegen. Voraussetzung ist, dass alle Gruppenmitglieder ebenfalls die App installiert haben, um Alarme empfangen zu können. Ergänzend gibt es eine spezielle Partner- bzw. Business-App für Veranstalter, Einkaufszentren, Universitäten, Hoteliers oder ähnliche Einrichtungen. Damit können SafeNow-Zones eingerichtet und Sicherheitsteams direkt in die Alarmprozesse eingebunden werden.

Ähnlich verhält es sich mit der Guardy-App. Die Guardy-App richtet sich an Menschen, die unterwegs mehr Sicherheit haben möchten, und kombiniert ebenfalls Notfallfunktionen mit einer Community-Komponente. Nutzerinnen und Nutzer können im Ernstfall per Knopfdruck einen Alarm auslösen, ihren Standort in Echtzeit teilen und sogar einen Live-Stream starten, der automatisch in der Cloud gespeichert wird – so wird potenziell wichtiges Beweismaterial gesichert. Darüber hinaus erlaubt Guardy das Markieren sogenannter „unsicherer Orte“, wodurch eine interaktive Karte entsteht, die andere vor Gefahrenstellen warnen soll. Auch Routen lassen sich mit Freunden oder Familie teilen, sodass diese den Nachhauseweg verfolgen können. Die App ist kostenlos für iOS und Android verfügbar und will durch ihre einfache Bedienbarkeit besonders niedrigschwellig Schutz bieten. Gleichzeitig ergeben sich Fragen rund um Datenschutz, da Standortdaten und Live-Videos in der Cloud gespeichert werden. Dennoch bietet Guardy ein interessantes Konzept, das individuelle Notruflösungen mit einem gemeinschaftlichen Sicherheitsansatz verbindet. Vor allem am 11.11. zu Karnevalsbeginn in Köln wird die App zum Einsatz kommen.

Chancen und Weiterentwicklung
Solche Apps bieten eine echte Chance, Schlimmeres zu verhindern und Menschen zu schützen. Dennoch besteht auch hier Weiterentwicklungspotenzial. Ein Fallback-Modus, der auch im Offline-Zustand funktioniert, gestaltet sich als essenziell. Vor allem bei Großveranstaltungen oder an Feiertagen wie Silvester sind Netzüberlastungen nicht unüblich. Ein uneingeschränkter Alarmierungsmechanismus würde eine bereits vielversprechende Technologie noch sicherer machen.

Quellenangaben 
Titelbild von Principe – stock.adobe.com

Über den Autor

Christopher Castner ist Berater, Trainer, Speaker und Autor und verbindet psychologische Fachkompetenz mit tiefgehender Erfahrung im Sicherheitsbereich. Als Bedrohungsmanager des I-GSK begleitet er Organisationen im professionellen Umgang mit Bedrohungslagen und bildet darüber hinaus regelmäßig Unternehmen als Deeskalationstrainer im Bereich Gewaltprävention weiter.
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