Israels Hightech-Armee hat die Hamas vernichtend geschlagen. Doch die Terrorgruppe hat ihre eigene Strategie, um im Spiel zu bleiben. Ihre GuerillaTaktik machte den Truppen des jüdischen Staates sehr zu schaffen.
Die Szene stammt aus der Zeit der zweiten Intifada. Sie ist aber typisch für die Konfrontation Israels mit der palästinensischen Zivilbevölkerung. Palästinenserkinder werfen Steine gegen die dichte Netzwand eines Kommandopostens der israelischen Armee am Rande von Gaza-Stadt. General Shmuel Zakai, der die Truppen dort führt, hat eine Order ausgegeben: Nur bei konkreter Lebensgefahr Schusswaffengebrauch. Ein Soldat widerspricht. „Wenn der erste Stein fliegt, schieße ich.“ Der Kommandeur erklärt ihm: „Jedes tote palästinensisches Kind liegt noch am selben Tag symbolisch auf dem Tisch des US-Präsidenten, und unsere Regierung bekommt Druck aus Washington.“
Den kannte der amtierende Premier Benjamin Netanjahu lange Zeit nicht. Bis er selbst durch eine Aktion plötzlich erheblichen Druck auf sich provozierte und dadurch, eher widerwillig, den aktuellen Waffenstillstand hervorrief. Nach einem Terroranschlag in Jerusalem ordnete Netanjahu am 9. September einen sofortigen Schlag der Luftwaffe gegen ein Treffen von Hamas-Führern in der katarischen Hauptstadt Doha an. Eine Operation war nicht präzise geplant, man traf die Falschen, die Aktion ging ins Leere. Stattdessen erntete Netanjahu die scharfe Missbilligung des US-Präsidenten, der mit Katar in bestem Einvernehmen stand. Kurz nach Netanjahus Affront gegen den engsten Partner offerierte Trump seinen Friedensplan für Gaza. Der israelische Ministerpräsident musste sich beim Emir in Doha entschuldigen und dem Friedensplan zustimmen. Seither schweigen in Gaza weitgehend die Waffen. Die Geiseln kamen frei, und die Leichen toter Gefangener vom 7. Oktober wurden übergeben.
Gegen seinen Willen war der Hardliner Netanjahu der Gamechanger, der „Spielveränderer“, im aktuellen Nahostkonflikt.
Israels Bilanz: Die Kriegsführung hat den Raketenbeschuss zum Erliegen gebracht, die interne Kommunikation der Hamas ist zerschlagen, die Geiseln sind frei. Aber das Land hat nach dem Terrorüberfall der Hamas mit 1200 Toten, 250 Verschleppten und Hunderten Verwundeten einen hohen Preis gezahlt. Mehr als 1000 Soldaten sind gefallen, der Krieg hat Gesellschaft und Wirtschaft viel Kraft gekostet. Geblieben ist die Hamas-Ideologie von der Zerstörung Israels. Die Terrortruppe will die Waffen nicht abgeben. Sie inszeniert sich weiterhin als dominierende Kraft im inzwischen nicht mehr besetzten Teil des Küstenstreifens. Im Westteil patrouillieren die Kämpfer der Kassam-Brigaden ungehindert auf ihren Pickups. Die Kommandotrupps haben sich meist in die unendlich weiten Tunnelsysteme zurückgezogen. Einige der unterirdischen Anlagen haben Luftwaffe und Heer des jüdischen Staates zerstört, andere Tunnel dagegen sind die Lebensversicherung der Hamas-Terroristen.
Die Führungsriege der Hamas wurde von den Israels Armee weitgehend ausgeschaltet. Von den hochrangigen Kommandeuren aus der Zeit vor dem 7. Oktober ist nur noch einer übrig geblieben. Interne israelische Quellen nennen aktuell bis zu 8900 namentlich bekannte getötete Kämpfer der Hamas. Dafür haben die Islamisten laut Nachrichtenagentur Reuters 10.000 bis 15.000 neue Kämpfer rekrutiert. Die neuen Milizionäre greifen mit Sprengstoff an, ziehen sich dann in die Tunnel zurück Zudem tauchen die Kader in der Bevölkerung unter, deren Zustimmung zur Hamas nach glaubwürdigen Umfragen noch immer bei knapp 50 Prozent liegt.
„Die Guerilla muss in der Bevölkerung schwimmen wie der Fisch im Wasser“. Die Führungsriege der Hamas wurde von Israels Armee weitgehend ausgeschaltet hat der chinesische Revolutionär Mao Zedong gelehrt. Im eigenen Volk, aber auch im Tun -nelsystem haben manche Kader überlebt. Ein israelischer Militärexperte bringt es auf den Punkt: „Die Hamas präferiert den Tunnelkrieg, eine mittelalterliche Taktik, die so wenig technologisch ist, dass sie buchstäblich unter unserem Radar liegt. Daher müssen wir auch eine mittelalterliche Taktik anwenden, um sie zu bekämpfen.“ Konkret in Gaza heißt das: Israels Infanterie musste in die Tunnel hinein.
Dieses Vorgehen verursachte einen hohen Blutzoll. Gemeinhin sind Tunnelkrieg und Kampf im urbanen Gelände der Albtraum jeder Infanterie. Es ist der Kampf gegen einen schwer zu identifizierenden Gegner, der, wie die Hamas es tat, sich auch unter die Zivilbevölkerung mischt. 17 Jahre lang hatte die Hamas sich seit ihrer Machtübernahme in Gaza aufgerüstet.
„In dieser Zeit“, so sagt man im Hauptquartier der IDF, der israelischen Armee, in Tel Aviv. „hat sie sich für den Häuserkampf sowie im Terrorkrieg vom Amateur zum Profi entwickelt“. Nicht zuletzt durch taktische Schulungen von iranischen Ausbildern in Vorbereitung auf den Terrorangriff vom Oktober 2023.
Die Hamas ist militärisch zerschlagen, als Guerilla hat sie noch Leben und in ihrem Tunnelsystem hat sie demonstriert, wie sie Israels Armee in große Schwierigkeiten bringen kann. Auch wenn die Guerilla-Kämpfer ihrem Feind militärisch unterlegen sind. So machte es auch der Vietcong in Vietnam gegen die hochtechnologische US-Armee. Noch ist der Krieg gegen die Hamas für Israels nicht final beendet. Täglich gibt es nach wie vor Konfrontationen. Befeuert von ihrer Ideologie glimmt die Lunte am Pulverfass einer erneuten Eskalation gegen die mächtigste Militärmacht in der Region. Israel hat die Schlacht gewonnen, aber nicht den Frieden.
Quellenangaben
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Gastbeitrag von Rolf Tophoven am 28.11.2025 | Rheinische Post ©







