Erschütternde Anschläge erhöhen das Sicherheitsbedürfnis der Menschen und sorgen meist dafür, dass existierende Schutzvorkehrungen, Standards und Gesetzte neu definiert werden. Ein Beispiel dafür ist die Spezialeinheit GSG 9, die nach dem Geiseldrama in München 1972 gegründet wurde. Diesmal will Deutschland vorher reagieren: für mögliche Anschläge, wie die in Paris und Brüssel, sollen die zuständigen Behörden besser ausgerüstet sein. Denn die Ende Januar 2016 von Thomas de Maizière beantragte Analyse der Zustände in den deutschen Sicherheitsbehörden zeigt, dass es an angemessener Ausrüstung und Ausbildung im Falle eines Anschlages mangelt.
Die neue Einheit soll eine Lücke zwischen der Spezialeinheit des Bundes der GSG 9 und der Bereitschaftspolizei schließen. Die GSG 9 ist zuständig für Terrorismusabwehr und Geiselbefreiungen. Dies allerdings im Rahmen eines Sondereinsatzkommandos für den akuten Zugriff und nicht für längere Einsätze und große Fahndungsaktionen. Das gleiche gilt für die Spezialeinheiten auf Landesebene, den Sondereinsatzkommandos (SEK) und Mobilen Einsatzkommandos (MEK).
Die Bereitschaftspolizei hingegen ist ausgebildet für den Einsatz bei Großveranstaltungen, zum Beispiel Fußballspiele und Demonstrationen und Veranstaltungen mit erhöhtem Gefahrenpotenzial. Dazu zählt auch die Kompetenz, mehrtägige Einsätze und weitläufige Fahndungsaktionen durchzuführen.
Aufbau begonnen
Die neue Einheit fungiert nun als Brücke einerseits mit der Ausbildung für große Einsätze, andererseits den Fähigkeiten und der Ausrüstung zum akuten Zugriff. Die neue Einheit arbeitet unter dem Namen Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit plus (BFE+) und besteht aus fünf Teileinheiten mit jeweils 50 Mitgliedern.
Die BFE+ unterstützt die Reaktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörde und verstärkt durch zusätzliches Personal die Durchhaltefähigkeiten in der Aufklärung und Fahndung nach Tätern. Anders als die Elitetruppe der GSG9 werden die Beamten nicht nur im Sonderfall aktiv sein, sondern verrichten den normalen Dienst von Bereitschaftspolizisten. Die erste Teileinheit wurde am 16. Dezember 2015 in Blumberg vorgestellt und wird in Berlin stationiert. Die vier weiteren Teileinheiten werden innerhalb der nächsten Jahre in verschiedenen Standorten in Deutschland ihren Dienst beginnen.
Unterschiedliche Urteile
Die Haltung zu der neuen Einheit sind verschieden, während der Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Jörg Radek und der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Rainer Wendt die neue Einheit grundsätzlich als Bereicherung begrüßen, kritisieren sie das Übergehen der Streifenpolizisten. Diese sind die Ersten, die mit der Situation eines Terroranschlags konfrontiert werden. Daher sei es eine unumgängliche Maßnahme, ihre Ausrüstung angemessen aufzurüsten, unter anderem mit besseren Schusswesten und Waffen.
Der Sicherheitsexperte Wolfgang Petri mit 20 Jahren Erfahrung beim MEK hingegen hält die neue Einheit für eine Farce. Eine neue Einheit könne in dem kurzen Zeitraum nicht effektiv ausgebildet werden, die Beamten würden an anderen Stellen fehlen und das Geld wäre sinnvoller in Ausrüstung und Ausbildung der bestehenden Einheiten geflossen, um Deutschland sinnvoll zu schützen.
Uwe Gerstenberg ist Geschäftsführer der consulting plus Holding GmbH