Brennt´s bei der Feuerwehr?

Vor zwei Jahren bereits sagte mir ein Kreisbrandmeister am Rande einer Übung, die wir für den Krisenstab seiner Kreisverwaltung einschließlich der in die Übung einbezogenen Feuerwehrleute angelegt und durchgeführt hatten, dass ihm die Nachwuchsentwicklung bei den Freiwilligen Feuerwehren große Sorgen mache. Das gelte sowohl für die Gewinnung neuer junger Anwärter wie noch viel stärker für deren Aus- und Weiterbildung. Mittlerweile ist diese Befürchtung amtlich geworden: Das Problem hat am 31. Januar 2012 mit einer Konferenz von 620 Feuerwehrleuten im nordrhein-westfälischen Landtag auch die politische Ebene erreicht. Ob die damit beabsichtigte öffentliche Sensibilisierung schon bald den Einstieg in die Entwicklung von sachgerechten Lösungen bewirken kann, bleibt abzuwarten. Angebracht erscheint daher zunächst eine nüchterne Analyse des Problems, und das schließt erst einmal den Verzicht auf die üblichen Floskeln und Beteuerungen, die allfällige „politisch korrekte“ Lobhudelei über das Ehrenamt und ähnliche Phraseologie ein. So richtig und auch wichtig die immer wieder erforderliche Würdigung ehrenamtlichen Engagements auch ist, wenn da nicht mehr kommt als das übliche und oft schon peinliche verbale Schulterklopfen, dann ist absehbar, wann auch die letzten Engagierten die Lust am eigenen Einsatz für das Gemeinwohl verlieren. Entwicklung wird bedrohlich Zu diesem Problembereich zählen in besonderer Weise die freiwilligen Feuerwehren, von denen es in Deutschland ca. 24.000 gibt. Dieser Zahl gegenüber nehmen sich die gerade einmal 100 Berufsfeuerwehren sowie die etwa 300 Betriebs- und 900 Werksfeuerwehren, zu denen übrigens auch die Wehren an den Flughäfen zählen, eher bescheiden aus. Noch deutlicher wird dieses ungleiche Verhältnis, wenn man auf Städte und Gemeinden blickt, deren Brandschutz Aufgabe der Feuerwehren ist: Die schon erwähnten Berufsfeuerwehren leisten ihren Dienst in gerade einmal 100 von insgesamt 2.074 deutschen Städten. Das sind keine 5 Prozent, und daraus ergibt sich, dass mehr als 95 Prozent aller Feuerwehraufgaben in unserem Staat durch ehrenamtliche Kräfte geleistet werden. Vergleichbares gilt auch für die sich zu sogar 99 Prozent auf die ehrenamtlichen Helfer stützende Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) und das bayerische Rote Kreuz mit 95 Prozent Freiwilligen als Körperschaften öffentlichen Rechts. Nicht wesentlich anders steht es mit den privatrechtlichen Hilfsorganisationen auf Basis des Vereinsgesetzes wie dem Deutschen Roten Kreuz, der DLRG, dem Arbeiter-Samariter-Bund, der Johanniter-Unfallhilfe und dem Malteser-Hilfsdienst, die sich bei ihrer Arbeit in weit überwiegendem Maße auf das Engagement ihrer ehrenamtlich tätigen Mitglieder stützen. Vor diesem Hintergrund nehmen erkennbare Nachwuchssorgen im Gesamtbereich des öffentlichen wie des privat organisierten Bevölkerungsschutzes eine zunehmend bedrohlicher wirkende Dimension an. Einstieg zu unattraktiv Allein im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen verlieren nach offiziellen Angaben die Freiwilligen Feuerwehren, die hier 80 Prozent des Personals für den Brandschutz stellen, jedes Jahr 2000 Leute. Damit ist absehbar ist, wann und wo die Garantie einer entsprechenden Gefahrenabwehr nicht mehr gegeben sein wird. Hinzu kommen noch Probleme bei der Nachwuchsgewinnung für die Berufsfeuerwehren. Einen Grund dafür hat die Gewerkschaft Dienstleistungsgewerkschaft ver.di schon deutlich angesprochen: mangelnde finanzielle Attraktivität verglichen mit den sehr hohen Anforderungen in Ausbildung wie Berufspraxis der Feuerwehrleute. Theo Schumacher von der Tageszeitung Westfalenpost hat in Nordrhein-Westfalen hier einmal nachgefragt und Antworten erhalten, welche die Kalamität der ganzen Sache gut verdeutlichen: So erhält z.B. ein Feuerwehranwärter trotz einer anderen bereits vorher erfolgreich abgeschlossenen und seitens der Berufsfeuerwehr eigentlich gern gesehenen Berufsausbildung während der ersten 18 Monate im Feuerwehrdienst gerade einmal 960 Euro im Monat. Zwar besteht in NRW vom Besoldungsrecht her die Möglichkeit, den Anwärtern einen zusätzlichen Aufschlag von 35 Prozent zu zahlen, doch nur sehr wenige Städte machen davon Gebrauch. Außerdem muss festgestellt werden, dass es mit den Beförderungsmöglichkeiten nicht zum Besten steht, auch das ein Grund dafür, dass sich der Ansturm auf ein einen Ausbildungsplatz bei der Berufsfeuerwehr in Grenzen hält. Wehrpflichtaussetzung erhöht den Druck Nicht vergessen werden dürfen in diesem Zusammenhang die über den Brandschutz hinausgehenden und ebenfalls unverzichtbaren Leistungen von Berufs- wie von Freiwilligen Feuerwehren bei Krisenlagen aller Größenordnungen einschließlich Naturkatastrophen. Selbst in Städten mit Berufsfeuerwehren reichen bei größeren Schadensereignissen deren Kräfte erfahrungsgemäß zur Schadensbewältigung meistens nicht aus, sodass auf die Kapazitäten der Freiwilligen Feuerwehren und auf andere Hilfsorganisationen zurückgegriffen werden muss. Noch bedrohlicher erscheint die Lage in den meisten Landkreisen, in denen der gesamte Bereich der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr auf dem ehrenamtlichen Engagement in den entsprechenden Organisationen fußt. Deswegen führen Nachwuchsprobleme hier zwangsläufig zu einer Bedrohung der gesamten Gefahrenabwehr in den jeweiligen Gebietskörperschaften. Schon in Heft 1/2011 von „Public Security“ hatte Björn Stahlhut als Grundsatzreferent im Team Rettungsdienst des DRK-Generalsekretariats im Hinblick auf die erwartbar prekäre Nachwuchslage bei den Rettungsdiensten hingewiesen und die Gründe genannt, die auch auf die Freiwilligen Feuerwehren und andere Hilfsorganisationen sowie darüber hinaus auf weitere Institutionen wie Kirchen, Sozialdienste und sogar Vereine zutreffen. Mit der 2011 erfolgten Aussetzung der Wehrpflicht war und bleibt der Wegfall aller Ersatzdienste verbunden, und dabei geht es um ein jährliches Defizit an Personal in fünfstelliger Höhe. Im Bereich Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sind die ersten Auswirkungen bei den Freiwilligen Feuerwehren, den Rettungsdiensten und beim THW bereits erkennbar und geben hinreichend Anlass zur Sorge. Zu wenig Freizeit fürs Ehrenamt Ein nicht zu unterschätzendes Reservoir für diverse ehrenamtliche Dienste boten in der Vergangenheit Schüler und Studierende, doch gerade hier sind die jüngsten bildungspolitischen Maßnahmen nicht ohne nachteilige Wirkungen für freiwilliges Engagement geblieben. Die Reduzierung der gymnasialen Schulzeit von neun auf nur noch acht Jahre schränkt bei vielen Schülern aufgrund des komprimierten Lernstoffs die freie Zeit für umfangreichere außerschulische Aktivitäten ebenso ein wie die an den deutschen Universitäten eingeführten Bachelor- und Masterstudiengänge für die Studierenden. Überdies gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen Bereitschaft zum Engagement und tatsächlichem aktiven Einsatz für eine gute Sache: Der bislang jüngste, vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Jahr 2009 veröffentlichte Überblick über freiwilliges Engagement in Deutschland hatte auf Basis einschlägiger Untersuchungen festgestellt, dass 49 Prozent der Jugendlichen sich ehrenamtlich irgendwie gern einbringen wollen, dies aber nur 35 Prozent wirklich tun. Doch selbst wenn es gelingen könnte, diesen Wert erheblich zu steigern, wären damit die Probleme für die Nachwuchsgewinnung bei Feuerwehren, Rettungsdiensten und anderen Hilfsorganisationen noch längst nicht behoben. Schon in der Ausbildung für diese ehrenamtlichen Tätigkeiten geht es um den Erwerb unverzichtbarer fachlicher Kompetenzen, die in der Folge auch intensiviert und erweitert werden müssen. Die hierfür erforderlichen Weiterbildungsmaßnahmen in Gestalt von Kursen und Übungen lassen sich aber nicht in allen Fällen im Rahmen von Wochenendveranstaltungen absolvieren. Länger dauernde Lehrgänge setzen bei den Freiwilligen jedoch die Bereitschaft der jeweiligen Arbeitgeber voraus, sie für den benötigten Zeitraum freizustellen. Ein solches Verständnis und Entgegenkommen hält sich bei den meisten Betrieben und auch bei Verwaltungen mittlerweile doch sehr in Grenzen. Höchste Zeit zum Handeln Was ist zu tun? Erste Vorschläge reichen von zusätzlichen finanziellen Anreizen in Form von Bonussystemen und „Ehrenrenten“ bis zu sachwerten Vergünstigungen in den Kommunen, lösen aber keineswegs die strukturellen Probleme wie weniger verfügbare Zeit für ein ehrenamtliches Engagement oder wie die Frage nach der erforderlichen Zustimmung der Arbeitgeber. Hinzu kommen die Auswirkungen des demografischen Wandels in unserer Gesellschaft. In den nächsten Jahren werden immer mehr Angehörige der sog. Baby-Boomer-Generation, d.h. der Jahrgänge 1950 bis 1965, in Rente gehen. Das bedeutet nicht nur einen Verlust an Erfahrungswissen, sondern im Zusammenhang mit den Problemen bei der Nachwuchsgewinnung eine gravierende Gefährdung der Funktionsfähigkeit von Einsatzkräften und Stäben aller Ebenen im Bevölkerungsschutz. Ja, es brennt bei der Feuerwehr und nicht nur dort. Wo sind Ideen und realistische Lösungsvorschläge? Es ist höchste Zeit, die Probleme konkret anzugehen. Dazu sind alle aufgerufen, und damit eben auch die letztlich von den allfälligen Gefahren betroffenen Bürger. Es reicht nicht, den “Experten vom Bevölkerungsschutz“ die Arbeit an Konzepten und Maßnahmen zu überlassen und auf Ergebnisse zu warten. Jeder darf und muss sich engagieren, und alle sollten akzeptieren, dass es dafür auch der Bereitstellung erheblicher Mittel bedarf. Gefahrenabwehr kostet einiges, und das gilt in besonderer Weise schon für die Prävention. Hierzu zählen neben Beschaffung und Bereitstellung geeigneten Materials vor allem ideelle wie finanzielle Investitionen im Personalbereich für Ausbildung, Übung und die Sicherstellung der erforderlichen Kapazitäten durch erfolgreiche Nachwuchsgewinnung. Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif, und wirkungsvolle ehrenamtliche Arbeit lässt sich mit Lob und Appellen allein nicht garantieren. Wie hieß es vor vielen Jahren in einer bekannten Werbeaktion? „Es gibt viel zu tun. Packen wir es an!“ Dieser Forderung kann man sich nur anschließen.
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Prof. Dr. phil. habil. Volker Schmidtchen ist Institutsleiter und Wissenschaftlicher Direktor von Firmitas – Institut für Wirtschafts- und Sicherheitsstudien
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