Drei Fragen an BKA-Präsident Jörg Ziercke

Drei Fragen an BKA-Präsident Jörg ZierckeFrage 1: Herr Präsident Ziercke, der politisch motivierte Terrorismus hinterlässt in der Regel durch ein Bekenner- oder Selbstbezichtigungsschreiben bewusst Spuren, die auf Hintergründe und Täter hinweisen sollen. Sind angesichts dieser Definition die Morde der „Zwickauer Zelle“ nicht eher in den Bereich krimineller Handlungen einzuordnen als in das Segment eines rechten Terrorismus?

Es ist richtig, dass die Ermittlungen zur sogenannten Zwickauer Zelle unterschiedlichste Phänomenbereiche – allgemeine Gewaltkriminalität wie zum Beispiel Banküberfälle, politische Propaganda, Nagelbombenanschläge und Tötungsdelikte – betreffen.

Wichtiges Kennzeichen des Terrorismus ist die Verübung schwerer Anschläge auf Leben, Gesundheit und Eigentum als zentrale Mittel zur Durchsetzung der Ziele und zur Mobilisierung breiter extremistischer Kräfte. Die Propaganda ist ein weiteres Merkmal, das allerdings in den verschiedensten Formen zum Ausdruck gebracht werden kann. Eine Form der Propaganda kann sich – wie im vorliegenden Fall – zunächst alleinig auf die Tat beschränken oder sich ausschließlich an die interne Öffentlichkeit der extremistischen Milieus richten. Die terroristische Zielrichtung ist eindeutig: Es ist ein Anschlag auf den Rechtsstaat.

Frage 2: Wenn Sie die Akteure der früheren RAF-Generation mit den Aktivisten der rechten Szene von heute vergleichen, wo sieht das BKA die entscheidenden Unterschiede, die Psychostruktur der Täter betreffend? Reicht die Kurzformel „links gleich intelligent – rechts gleich dumpf und dumm" noch aus?

Die Divergenzen eines Links- und Rechts-Terrorismus sind vor allem in den zugrundeliegenden Ideologien zu verorten sowie in den unterschiedlichen mangelhaft geregelten sozialen Konflikten, aus denen dieser Extremismus bzw. Terrorismus entstanden ist. Die psychologischen und sozialen Merkmale der Täter unterscheiden sich nicht signifikant voneinander.

Frage 3: Das BKA kämpft zu Recht vehement für die Einführung der Vorratsdatenspeicherung. Was hätte diese konkret bei den Ermittlungen gegen die „Zwickauer Zelle" und ihr Umfeld an Ermittlungserkenntnissen heute gebracht?

Ohne Mindestspeicherungsfristen lassen sich Strukturen organisierter und terroristischer krimineller Netzwerke nicht vollständig aufdecken, schwere Straftaten können nicht aufgeklärt werden. Im Fall der sogenannten Zwickauer Zelle wären die gespeicherten Verbindungsdaten für unsere Ermittlungen außerordentlich hilfreich. Durch sie wären wir in der Lage zu erkennen, wer in den letzten sechs Monaten häufigen Kontakt mit den Tätern hatte und insofern als Unterstützer des NSU (Anm.: NSU = Nationalsozialistischer Untergrund) in Betracht kommt.Wir hätten weitere Ermittlungsansätze und könnten möglicherweise weitere Tatverdächtige identifizieren.

Das Quick-Freeze-Verfahren ist, wie der Fall der Zwickauer Terrorzelle zeigt, keine Alternative. Zwei der Täter sind tot, eine Beschuldigte sitzt in Haft. Sie können nicht mehr telefonieren und keine E-Mails mehr versenden. Es gibt keine Daten, die „eingefroren" werden könnten.

Die Fragen stellte Rolf Tophoven, Direktor des IFTUS – Institut für Krisenprävention.

Bildquelle: Bundeskriminalamt

Rolf Tophoven
Rolf Tophoven leitet das Institut für Krisenprävention (IFTUS) in Essen, früher Institut für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik. Schwerpunkt seiner journalistischen und wissenschaftlichen Tätigkeit sind der Nahostkonflikt sowie der nationale, internationale und islamistische Terrorismus. Kontakt: E-Mail: info@iftus.de
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