Kommunique zur Ankündigung einer erneuten Waffenruhe durch die ETA

Die baskische Terrororganisation Euskadi ta Azkatasuna (ETA) hat über den baskischen Rundfunksender EITB einen „dauerhafte Waffenruhe“ angekündigt, die ab Freitag dieser Woche wirksam werden soll. Durch diesen vorläufigen Gewaltverzicht soll ein „demokratischer Prozess“ eingeleitet werden, der es den Basken ermöglicht, frei über die eigene Zukunft zu entscheiden.

Waffenstillstandsangebote der ETA gab es in der Vergangenheit mehrmals, zumeist aber mit Forderungen verknüpft, die von der spanischen Zentralregierung jedoch nicht akzeptiert werden konnten. Dadurch kam es immer wieder zu erneuten Anschlägen, die aber nicht mehr vorrangig darauf angelegt waren, Menschenleben zu vernichten. Vor drei Jahren erfolgte der letzte tödliche Anschlag, seit dieser Zeit werden Anschläge zumeist angekündigt und damit den Sicherheitskräften Gelegenheit gegeben, die Gefahrenbereiche zu räumen. Dennoch haben auch diese Anschläge für erhebliche Unruhe in Spanien gesorgt, da sie in Zentren des Tourismus erfolgten und damit die Tourismusbranche schädigen sollten.

Kurzer Rückblick auf die Entwicklung und die Ziele der ETA
Historiker sehen im Verlust der Autonomie gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Wurzeln des baskischen Nationalismus. Es erfolgte die Bildung einer baskisch-nationalistischen Partei. Ihre Propaganda richtete sich gegen den spanischen Staat und gegen das baskische Großbürgertum, soweit es spanisch gesinnt war.

1936 hatten sich General Franco und Teile des Militärs gegen die Republik erhoben. Den Basken wurde klar, dass sie von Francos zentralistischer Politik im Hinblick auf ihr eigenes Autonomiestreben nichts zu erwarten hatten. In den folgenden Jahren erlebte das Baskenland die größte Unterdrückung seiner Geschichte. Sie bezog sich auf alle Lebensbereiche. Francos Polizei, Militär und Verwaltung agierten wie Besatzungsmächte.

In dieser Zeit entstand die militante Organisation Euskadi ta Azkatasuna (ETA), die sich aus der studentischen Gruppe EKIN (Handeln) entwickelte.

1959 gilt als das Gründungsjahr der ETA.

Die erste bekannte Aktion der ETA war die Sprengung einer Bahnlinie. Diese Tat löste eine Verhaftungswelle aus. 1962 gab sich die ETA Organisationsinhalte, die bis heute weitgehend erhalten geblieben sind:

  • Politische interne Schulung und Propaganda
  • Finanzierung, ökonomische Analysen, Intervention in Betrieben
  • Förderung baskischer Kultur, Sprache, Geschichte
  • Planung und Ausführung bewaffneter Aktionen.

Obwohl die Regierung Franco lange Zeit von den Staaten Europas verurteilt wurde, fand die ETA dennoch keine Sympathie im Westen, da sie sich als marxistisch sowie antiimperialistisch und antikapitalistisch definierte.

Um die Untergrundorganisation zu finanzieren, sind baskische Industrielle entführt worden und erst gegen hohe Lösegeldzahlungen aus der Geiselhaft entkommen.

Im Lauf der Jahre, vor allem nach dem Tode Francos und der danach beachtenswerten politischen Veränderungen in Spanien, veränderte sich die Haltung der Spanier und des überwiegenden Teils der Basken zu den militanten ETA-Mitgliedern. Etwa seit 1980 verstärkte und formierte sich der Widerstand gegen die Terroristen immer offener. Bis heute ist es aber nicht gelungen, das Terrornetzwerk der ETA zu zerschlagen.

Erstmals 1998 vereinbarten die spanische Regierung und die ETA eine Waffenruhe. Den Anschlägen der ETA fielen etwa 800 Menschen zum Opfer. Ziel der Mordattacken waren überwiegend Polizisten, Militärs, Bürgermeister, Kommunalpolitiker und andere Repräsentanten der Zentralmacht.

Wenn auch die Mehrheit der Basken den Terrorismus und die Anhänger der Terroristen

ablehnen und ihre Ablehnung bei Demonstrationen eindrucksvoll zeigten, gibt es aber auch noch Unterstützung.

Bewertung der Lage
Von offizieller Seite ist die angekündigte Waffenruhe inzwischen begrüßt worden. Ob die Ankündigung mit Forderungen an die Regierung verbunden ist, ist nicht bekannt. Die Waffenruhe ist auch nicht einer Waffenniederlegung gleich kommend. Ob es tatsächlich zu einer Beruhigung der Sicherheitslage kommt, wird die Zukunft zeigen. Spekulativ ist anzunehmen, dass die ETA nicht den erwarteten politischen Rückhalt in der baskischen Bevölkerung hat und die Mehrheit der Basken die radikalen Unabhängigkeitsziele der ETA ablehnt.

Sollte die ETA tatsächlich nicht mehr bomben, erpressen und entführen, besteht durch eine andere terroristische Organisation in Spanien ein erhöhtes Sicherheitsrisiko: Durch die Antifaschistische Widerstandsgruppe Erster Oktober (GRAPO). Die GRAPO ist kommunistisch orientiert. Sie galt als zerschlagen. Nach einem unlängst erfolgten Entführungsversuch, bei dem eine Frau von den Tätern erschossen wurde, erklärte die GRAPO, das Niveau des Kampfes steigern zu wollen. Kommandos, die durch Entführungen oder Erpressungen Lösegeld erzwingen wollen, sind angehalten, im Falle des Widerstandes zu töten.

Einer erhöhten Gefährdung durch die GRAPO sind neben spanischen Geschäftsleuten auch ausländische Geschäftsleute ausgesetzt, wenn sie sich längere Zeit in Spanien aufhalten.

Unter diesem Aspekt muss Spanien immer noch als ein Land mit einem erhöhten Sicherheitsrisiko angesehen werden.

Rolf Tophoven
Rolf Tophoven leitet das Institut für Krisenprävention (IFTUS) in Essen, früher Institut für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik. Schwerpunkt seiner journalistischen und wissenschaftlichen Tätigkeit sind der Nahostkonflikt sowie der nationale, internationale und islamistische Terrorismus. Kontakt: E-Mail: info@iftus.de
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