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Islamisten, Links- und Rechtsextremisten: verfeindete Partner in Crime

Islamisten, Links- und Rechtsextremisten: verfeindete Partner in Crime

Islamisten, Links- und Rechtsextremisten: verfeindete Partner in Crime

Warum verschiedene politische extremistische Ideologien nicht getrennt voneinander betrachtet werden dürfen.

Nachdem der Fokus jahrelang auf der Bekämpfung des Islamismus lag, haben die deutschen Sicherheitsbehörden ihr Augenmerk dieses Jahr auf andere Formen des politischen Extremismus ausgeweitet. Nun setzen sich die Behörden vermehrt mit Rechts- und Linksextremismus auseinander. Die ganzheitliche Betrachtung von politischem Extremismus ist nicht nur wichtig, sondern auch richtig. Im Folgenden sollen einige Gemeinsamkeiten zwischen den sich eigentlich gegenüberstehenden extremistischen Ideologien aufgezeigt werden. Daraus ergibt sich, dass die jeweiligen Präventionsprogramme nicht nur voneinander lernen können, um gewalttätige und terroristische Aktionen zu verhindern, sondern zeigt auch auf, dass eine willkürliche Priorisierung eines politischen Extremismus gegenüber den anderen verschiedene Gefahren in sich birgt. Welche fatalen Folgen diese Unterordnung haben kann, zeigt sich im Fall Lübcke und der anschließenden Überraschung eines Burkhard Lischka (SPD), nachdem deutlich wurde, dass rechtsextreme Gefährder bisher nicht die gleiche Beurteilung erhielten, wie ihre islamistischen Partner in Crime1. Die Sicherheitsbehörden tun also gut daran, jeglichen politischen Extremismus ernst zu nehmen, auch den bisher als weniger gefährlich betrachteten Linksextremismus.

„Mobilisierungsfähigkeit im politischen Extremismus“ Fokus des Bundesverfassungschutzes in 2019
Politischer Extremismus geht uns alle an. Das war eine der Botschaften des BfV-Präsidenten Thomas Haldenwang auf dem 16. BfV Symposium im Mai in Berlin. Politischer Extremismus bedroht nicht nur abstrakt unsere freiheitliche demokratische Grundordnung, sondern hat kürzlich einen weiteren Toten gefordert. Der Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke ist der blutige Beleg dafür, dass politischer Extremismus nicht länger ein theoretischer Diskurs ist.

Der Extremismus hat in den Mainstream Einzug gefunden und begünstigt damit die Radikalisierung und eine erhöhte Gewaltbereitschaft in der rechts- sowie inzwischen auch linksextremen Szene. Gleichzeitig stellt der BfV fest, dass die Netzwerkbildung innerhalb der rechten Szene zunimmt und in den linken und rechten Spektren deutlich eine „Vernetzung und eine Entgrenzung zwischen bürgerlicher Protestform und Extremismus“ stattfindet2. Durch diese Aufweichung und gemeinsame Charakterzüge der gegensätzlichen extremistischen Ideologen bilden sich derzeit hybride und transnationale Bewegungen. Eine neue Herausforderung für Gesellschaft, Sicherheitsbehörden und unsere demokratische Grundordnung.

Partner in Crime: Gemeinsamkeiten unter Feinden
Während sich die extreme Linke grundsätzlich als globale Bewegung versteht und der Islamismus die Brüderlichkeit der weltweiten „Umma“ propagandiert, zeigt sich in den letzten Jahren auch eine Transnationalisierung des Rechtsextremismus. Die Neue Rechte kontextualisiert Nationalismus nun in Transnationalismus, in der sich die weiße Rasse der westlichen Staaten identifiziert. Die globale Bewegung der Identitären mit ihren transnationalen Verbindungen, wie zwischen dem australischen Christchurch Attentäter und dem österreichischen Ableger der Identitären, oder das Netzwerk des US-amerikanischen Rechten, Steve Bannon, und den europäischen rechten Parteien, allen voran Matteo Salvini (Lega Nord), sind zwei Beispiele des neuen Transnationalismus.

Alle drei extremistischen Ideologien rechtfertigen ihren Kampf mit dem Verweis auf historische Ereignisse. Islamismus und Rechtsextremismus haben es dabei geschafft, ihr Narrativ an die globalisierte Gesellschaft anzupassen. Das Narrativ historischer Missstände und das wahrgenommene Leiden der „Eigenen“ wurden in das Prisma der modernen Geopolitik eingebaut. Sie sind die Opfer von politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen. Die Linksextremisten haben länger gebraucht, ihr Narrativ nach der ideologischen Krise (Kollaps der Sowjetunion und Ende des Kalten Krieges) an die globalisierte Gesellschaft anzupassen. Die Wirtschaftskrisen der letzten Jahre, insbesondere in Südeuropa, spielten dem linken Spektrum jedoch in die Hände. Folglich bedienen sich alle drei extremistischen Parteien eines Revanche-Narrativ, in dem der Kampf als unausweichlich dargestellt wird. Ein Kampf, in dem es keinen Raum für Unschuldige gibt.

In Kombination führen das Revanche-Narrativ und die andauernde wechselseitige Vergeltung auf hypokritische Weise dazu, dass sich die feindlichen Gruppierungen in ihren Ideologien bestärken. Denn, wenn Islamisten den Untergang des Westerns fordern, weil dieser weltweit die muslimischen Brüder leiden lässt, dann sehen sich die Rechtsextremen in ihrer Angst vor dem Untergang der weißen Rasse bestätigt und forcieren ihre Anstrengungen, Muslime und andere Ethnien zu eliminieren.

Um neue Anhänger zu radikalisieren, spielt in allen drei Ideologien die Emotionalisierung ihrer Zielgruppen eine fundamentale Rolle. Diese Fakten-vermissende Propaganda geht derzeit vermehrt in den Mainstream ein, zu Lasten von sachlichen Debatten. Die Ablehnung von Autoritäten sowie eine Delegitimierung des Staates finden sich ebenfalls in allen drei Ideologien wieder. Im Rahmen der Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols resultieren daraus selbsternannte Hüter der Ordnung, wie die „Scharia-Polizei“ oder die Bürgerwehr.

Neue Synergien Zusätzlich zu diesen strukturellen Gemeinsamkeiten entwickelt sich derzeit eine hybride Form des Extremismus. Dieser Hybrid von Links- und Rechtsextremismus tritt insbesondere in Frankreich auf. Die Proteste der Gelbwesten-Bewegung, die oft in gewalttätigen Ausschreitungen münden, wurden gleichermaßen von den Parteien der Extremlinken (La France Insoumise, Mélenchon) und der Extremrechten (Rassemblement National, Le Pen) mobilisiert und politisch genutzt. Neben der neuen Tendenz zum hybriden Extremismus zeigt die Unterstützung von La France Insoumise für die Gelbwesten-Proteste eine weitere sich entwickelnde Ähnlichkeit zwischen dem linken und rechten Lager. Traditionell war die Bindung zwischen der linksextremen-Szene und der linken parlamentarischen Fraktion weniger eng, da die Fraktion, anders als ihr rechtes Gegenstück, Gewalt abgelehnt hatte. Letztlich sind die Gelbwesten auch ein weiteres Beispiel für die wachsenden transnationalen Züge der extremistischen Ideologien. So erhielt die französische Bewegung deutliche Unterstützung durch Italiens populistischen stellvertretenden Premierminister, Luigi di Maio, der 5-Sterne Bewegung.

Die linksextremistische Szene in Deutschland verbündet sich vermehrt mit kurdischen Kämpfern in Syrien. Ende 2018 haben sich geschätzt 250 Personen kurdischen Gruppierungen in Syrien anschlossen. Die „Kurdistansolidarität“, ein an Zulauf gewinnendes Aktionsfeld der Linksextremisten, führt zu einer erhöhten Gefahr von importierten Konflikten innerhalb des Bundesgebietes. Das BKA hat bereits einen Anstieg in Angriffen gegen türkische Einrichtungen verzeichnet3. Diese waren bisher eher Ziel der Rechtsradikalen4.

Konsequenzen
Die grundlegenden Gemeinsamkeiten der feindlichen Ideologien legen nahe, dass eine Priorisierung in der Bekämpfung der Ausbreitung und Radikalisierung in jeglicher extremistischer Form gefährlich ist. Andernfalls besteht sogar die Gefahr eine extreme Ideologie gegenüber der anderen vermeintlich zu legitimieren und die dahinter stehende Gefahr, irreführend zu minimeren. Bei der Bekämpfung von Extremismus sollte nicht mit zweierlei Maß gemessen werden. Auch wenn politischer Extremismus des linken Spektrums bisher weniger gefährlich erscheint, sollte er aufgrund seiner neuen Tendenzen, Gefahr von importierten Konflikten und seinem hybriden Charakter nicht unterschätzt werden. Denn, ob links, rechts, islamistische oder hybride Formen, eine Verbreitung und Akzeptanz von politischem Extremismus führen dazu, das Vertrauen in den Rechtsstaat und unsere freiheitliche, demokratische Grundordnung zu unterminieren.

Über die Autorin

Friederike Wegener studierte European Studies in den Niederlanden und Süd-Korea und hat einen Masterabschluss der französischen Universität Sciences Po Paris in International Security mit Fokus auf den Nahen Osten und Intelligence. Derzeit arbeitet sie bei der Europäischen Kommission im Generaldirektorat Migration und Inneres, in der Unit Prävention von Radikalisierung als Policy Officer in Brüssel. ⇒ mehr erfahren

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