Drei Fragen an BKA-Präsident Münch

Drei Fragen an BKA-Präsident MünchWelche akuten Bedrohungen gehen aktuell vom sogenannten Islamischen Staat aus? Hierzu befragte der Security Explorer den Präsidenten des Bundeskriminalamtes Holger Münch (Bild: Bundeskriminalamt).

Herr Präsident, was macht Ihnen, auch vor dem Hintergrund der Anschläge in Paris und Brüssel, größere Sorgen, der sogenannte Einsame Wolf oder die terroristische Zelle?

Sorge bereitet mir erstens das gestiegene islamistische Personenpotenzial. Die salafistische Szene ist auf gut 8.600 Personen angewachsen, die Radikalisierungsverläufe junger Menschen werden immer kürzer. Wir zählen über 490 sogenannte Gefährder, also Islamisten, denen wir die Begehung schwerster Straftaten zutrauen. Die große Herausforderung für die Sicherheitsbehörden besteht darin, diese Szene im Blick zu behalten. Zweitens agieren die Täter zunehmend professioneller. Kommunikation beispielsweise erfolgt kryptiert, Identitäten werden verschleiert. Diesen Entwicklungen müssen die Sicherheitsbehörden ebenso professionell begegnen. Wir müssen unsere Bekämpfungskonzepte und Präventionsstrategien schärfen sowie Ermittlungsinstrumente, etwa im Bereich der Telekommunikationsüberwachung, technisch weiterentwickeln. In allen Punkten gibt es bereits Erfolge und Fortschritte, allerdings auch noch viel zu tun.

Wie stark ist derzeit noch die „Attraktivität“ des sogenannten Islamischen Staates für junge Muslime aus Deutschland, in das syrische Kriegsgebiet zu reisen, angesichts der gemeldeten Rückschläge für das Terror-Kalifat durch die Anti-IS-Koalition?

Wir haben Kenntnis von 810 Personen, die aus Deutschland in die Dschihad-Gebiete in Syrien und im Irak ausgereist sind. In den letzten Monaten ist die Ausreisewelle abgeflacht. Die Dschihad-Rückkehrer stellen ein größer werdendes Sicherheitsrisiko dar. Dabei handelt es sich zum Teil um Personen mit militärischer Ausbildung und Kampferfahrung. Zudem haben sie in den Dschihad-Gebieten nicht isoliert gelebt, sondern Kontakte zu Gleichgesinnten geknüpft.

Wie Paris und Brüssel zeigen, werden diese gewonnenen Beziehungen genutzt. Es bilden sich islamistische Netzwerke in Europa, denen die Sicherheitsbehörden nur durch ein staatenübergreifendes Informationsmanagement begegnen können. Informationen müssen unter Beachtung der rechtlichen Voraussetzungen jederzeit allen Sicherheitsbehörden zur Verfügung stehen.

Wie wirken sich diese punktuellen, lokalen Niederlagen und Verluste des IS in Syrien und im Irak  auf die internationale Sicherheitslage aus?

In unserer globalen Welt wirken sich Krisenherde auch in fernen Ländern häufig unmittelbar auf die Sicherheitslage in Deutschland aus. Beispiele hierfür sind die ansteigende Bedrohungslage durch den Terrorismus sowie die anhaltende Flüchtlingsbewegung. Durch die Verluste des sogenannten IS in Syrien und im Irak gerät die Terrorgruppe unter Druck. Medienwirksame Anschläge weltweit gewinnen an Bedeutung, um das Ansehen der Organisation bei ihren Anhängern zu steigern. Schon seit längerer Zeit rufen die Islamisten ganz konkret zu Anschlägen in „westlichen“ Staaten und explizit auch in Deutschland auf. Insofern müssen wir mit Anschlägen rechnen, die Bedrohungslage ist hoch.

Ich kann Ihnen aber versichern, dass sich die Sicherheitsbehörden auf diese neue Dimension der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus eingestellt haben. Gerade nach den Anschlägen in Frankreich im vergangenen Jahr haben wir noch einmal unsere Einsatzkonzepte und Abläufe im nationalen wie internationalen Informationsaustausch geschärft.

Die Fragen stellte Rolf Tophoven, Direktor des IFTUS – Institut für Krisenprävention.

Quellenangaben
Titelbild: Rolf Tophoven

Rolf Tophoven
Rolf Tophoven leitet das Institut für Krisenprävention (IFTUS) in Essen, früher Institut für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik. Schwerpunkt seiner journalistischen und wissenschaftlichen Tätigkeit sind der Nahostkonflikt sowie der nationale, internationale und islamistische Terrorismus. Kontakt: E-Mail: info@iftus.de
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