Wieder einmal hat im Juni 2013 ein verheerendes Hochwasser die Anrainergebiete von Donau und Elbe samt deren Nebenflüsse hart getroffen und zu hohen Milliardenschäden an Sachwerten bei Bürgern und Unternehmen geführt. Es scheint, dass Hochwasserlagen in den nächsten Jahren in einer gewissen Regelmäßigkeit und in immer kürzeren Zeitabständen in Deutschland eintreffen werden. Daher sollten Übungsszenarien im Bereich des Bevölkerungsschutzes verstärkt werden.

Die Abstände zwischen solchen Flutkatastrophen verkürzen sich und lassen sogenannte Jahrhunderthochwasserlagen immer wahrscheinlicher werden, die die bisherigen Pegelmarken übertreffen. Zur Erinnerung: Das letzte große Rheinhochwasser war im Jahr 1995, die Oderflut 1997, das vorletzte Elbehochwasser fand 2002 statt und die jüngste Hochwasserlage von Donau und Elbe samt Nebenflüssen lag im Zeitraum Juni 2013, also nur elf Jahre später.

Angesichts dieser Fakten muss man sich fragen: Wurden die betroffenen Anlieger-Bundesländer, deren Landkreise und Kommunen völlig überraschend getroffen oder haben Warn- und Prognoseinstrumente vielleicht zu spät gegriffen bzw. gar in Teilen versagt?

Eine vertiefende Betrachtung der Hochwasserkatastrophe 2013 (vom Mittwoch, 29. Mai, bis Mittwoch, 19. Juni 2013, d. h. eine Dauer von über drei Wochen!) deutet darauf hin, dass die Wetterdaten meteorologischer Institute und Einrichtungen sowie von Lagezentren relativ eindeutig den Regenverlauf und die Regenmengen in den später betroffenen Regionen prognostiziert haben. Es wird aber auch deutlich, dass man über Deutschland hinausgehend den Einzugsbereich über die Zuströme aus den Moldaukaskaden (Anm: ein System von Stauseen zwischen Prag und Südböhmen) in Polen und Tschechien mit deren Hochwasserlagen an die weiteren Anrainer nicht ausreichend in Rechenmodellen berücksichtigt hatte. Hier liegen noch immer Defizite.

Ungünstige Umstände für Katastrophenalarm
Ein zweiter Faktor hat das Ausmaß der anlaufenden Katastrophe nachteilig beeinflusst. In den katholisch geprägten Bundesländern Bayern und Sachsen bedeutete der Feiertag (Fronleichnam) mit einem Brückenwochenende gleichzeitig eine kurze Urlaubsphase. Viele Mitarbeiter von Verwaltungen waren im Urlaub und mussten erst geordert werden. Insgesamt ein denkbar schlechter Zeitpunkt zum Ausrufen einer Katastrophenlage und zum kurzfristigen Hochfahren von Krisen- und Verwaltungsstäben zur Gefahrenabwehr. Entscheidungen zum Ausrufen einer Katastrophenlage auf der Basis eines Wetterlage- und Wasserströmeprognosemodells („Es kommt sehr wahrscheinlich zum Wochenende relativ kurzfristig eine Hochwasserwelle“) wurden teilweise zu spät beachtet und getroffen. Verloren ging dadurch wertvolle Planungszeit für Deichverteidigungsmaßnahmen und zur systematischen Ausplanung und Umsetzung von Evakuierungsmaßnahmen. Diese Zeit stand dann ab Montag bzw. Dienstag in der Folgewoche nicht mehr ausreichend zur Verfügung.

Ein erster ziviler Katastrophenalarm wurde in Sachsen am Samstag, den 1. Juni 2013, ausgelöst. Die anderen betroffenen Bundesländer folgten im Zeitraum von Sonntag, 2. Juni 2013, bis Mittwoch, 5. Juni 2013. Im Bundesland Bayern hatten insgesamt 21 Landkreise und Städte den Katastrophenfall ausgerufen, davon am ersten Tag (hier: Sonntag bis 22 Uhr) zehn Landkreise und Städte. Zum 19. Juni 2013 wurde der letzte zivile Katastrophenalarm aufgehoben. Insgesamt war über einem Zeitraum von 14 bis 20 Tagen die Durchhaltefähigkeit der jeweiligen Stäbe und Einsatzkräfte erheblich gefordert. Positiv zeigten sich hier jedoch die ausgeprägten mehrstufigen Personalmodelle der einzelnen Krisen- und Verwaltungsstäbe.

Mängel bei den Krisenstäben
Das Krisenmanagement in der Stabsarbeit von Krisen- und Verwaltungsstäben wies über den Tätigkeitszeitraum zum Teil noch Optimierungspotenzial auf. So zeigte sich bei einigen Stäben eine mangelnde Weitsicht in der Lageentwicklung und dem Erkennen der Dimension der auf einen selbst zukommenden Katastrophe. Auch gibt es Defizite bei der Lageerfassung und speziell in der Entschlussfindung in der Krisenstabsarbeit. Diese hätte präziser ausfallen können. Zu nennen sind hierbei auch ein früherer, zielgerichteter Abruf und Einsatz der durchaus zahlreich verfügbaren Kräfte von BOS-Organisationen (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben). So manche Deichverstärkung hätte auch bei rechtzeitigem Vorlauf früher und damit ohne großen Zeitdruck vorgenommen werden können. Es versteht sich schon fast von selbst, dass – wie in fast allen größeren Katastrophenlagen – Probleme in der Tele- und IT-Kommunikation (einschließlich Internetzugänge) bei den zivilen Stäben auftraten.

Für den Bereich der „Kritischen Infrastruktur“ ist erwähnenswert, dass nur durch den sofortigen Einsatz von Bundeswehrkräften beim Umspannwerk Wolmirstedt im Norden von Magdeburg der Ausfall dieser wichtigen Anlage verhindert werden konnte. Die Störung bzw. der Totalausfall des Umspannwerkes hätte nach Auskunft von Energiefachleuten für große Teile der neuen Bundesländer und von Berlin zu einem möglichen „Strom-Blackout“ mit einer Minimumzeit von zwei bis vier Stunden bis hin zu vier bis fünf Tagen führen können.

Letztendlich kam es auch bei der Bewältigung der Kosten über angefordertes Personal und Material zu gewissen „Zögerlichkeiten“ im Krisenmanagement.

Gut bewährt hat sich der Einsatz der BOS-Organisationen und auch wiederholt der Bundeswehrkräfte. Die Rolle der neuen Verbindungskommandos der Bundeswehr (KVK/BVK) zu den Bezirksregierungen und Landratsämter zeigt im Zusammenspiel mit der Bundeswehr durchweg positive Ergebnisse auf. Sie sollte in Zukunft noch weiter intensiviert werden.

Die Wünsche einzelner Gebietskörperschaften, auch zum Ende des Hochwassereinsatzes die Hilfe weiterer Bundeswehrkräfte zu nutzen, bedarf in Zukunft aber einer weitergehenden rechtlichen Prüfung, da der Auftrag der Bundeswehr und die rechtlichen Voraussetzungen derzeit nur den Einsatz zur unmittelbareren Gefahrenabwehr vorsehen. Ansonsten ist ein Beschluss des Bundestages vorgesehen.

Schlussfolgerungen
Insgesamt zeigte die Hochwasserflut 2013, wie verletzlich unsere Infrastruktur ist und dass solche Szenarien immer häufiger eintreten können und auch werden. Es gilt daher, im Bevölkerungsschutz bzw. in der Katastrophenhilfe diese Szenarien (Hochwasser, Starkregen, Ausfall der kritischen Infrastruktur) verstärkt zu üben.

Mit dem Hochwasser 2013 hatten wir in gewisser Weise noch „Glück im Unglück“. Dies meint, dass zum Glück nicht auch noch der Einzugsbereich vom Rhein und seinen Nebenflüssen betroffen war. In einem solchen Schadensfall (Großschadensereignis) wären weitere Einsatzkräfte erforderlich gewesen. Ob dann die Kräfte der BOS-Organisationen und der sich in einem Verkleinerungsprozess befindlichen Bundeswehr (noch) ausreichen würden um drei oder vier Schadensgroßräume zu bearbeiten, sollte mit Simulations- und Prognoseinstrumenten kritisch hinterfragt werden. Führende Wasserexperten, wie z. B. der Wasserexperte der Universität Dresden, Professor Dr. Martin Socher (Bericht in der Ausgabe der Westfalenpost, Teil Politik vom 23.07.2013), warnen davor, dass solche Hochwasserlagen mit einem Rekordhochwasser, speziell auch wieder an der Rheinschiene eintreten könnten.

Finanz- bzw. Subventionsprogramme für die Planungen von Schutzmaßnahmen und Sanierungsprojekten von Deichen (in bergbaugeprägten Gebieten) sowie das Üben solcher Hochwasserlagen in NRW mit Krisenstäben und Einsatzleitungen, wie zuletzt mit den VIKING II-Förderprojekten zusammen mit den niederländischen Partnern, bedürfen einer kontinuierlichen Fortführung. Jeder Euro, der in der Prävention im Hochwasserschutz fließt ist bestens angelegtes Geld. Wenn die nächste Flut kommt sollten alle besser vorbereitet sein!