Ihre Flagge zeigt das Programm! Auf gelbem Untergrund prangt giftgrün ihr Slogan. Eine Faust reckt die Kalaschnikow in die Höhe! Darüber steht „Hisbollah“ (Partei Gottes) ist der Sieger!
Eine Unterzeile fordert den „Islamischen Widerstand im Libanon“. Slogans und Emblem auf den Fahnen sind in gut vier Jahrzehnten harte politische Realität geworden, in unregelmäßigen Abständen begleitet von der Konfrontation mit Israel an dessen Nordgrenze. Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober letzten Jahres eskalierte die Lage. Es folgte täglicher Schlagabtausch mit Mörsergranaten und Artillerie. Dabei wurden die Kommandos der Hisbollah von einer einflussreichen Anlehnungsmacht gestützt – dem Regime in Iran. Seit ihrer Gründung 1982 hat sich die Schiiten-Miliz zum wichtigsten operativen Arm der Mullahs außerhalb des Iran entwickelt.
Der Zugriff der Hisbollah auf den Libanon vollzog sich von Beginn an mit massiver Unterstützung der diplomatischen Vertretungen Irans in Damaskus und Beirut. Schlüsselfigur in den ersten Jahren war der ehemaligen Botschafter Teherans in der syrischen Hauptstadt, Ali Akbar Mohtashemi. Er organisierte von Damaskus aus den Aufbau der Hisbollah, steuerte Waffenlieferungen, Ausbildung und Finanzen – anfangs jährlich bis zu ca. 100 Millionen Dollar. Neben der engen Partnerschaft zum Iran gilt bis in die Gegenwart das Assad-Regime in Syrien als Bündnisgenosse der Hisbollah. Als jüngst im syrischen Bürgerkrieg das Regime Bashir Assads wankte, unterstützte die inzwischen hochgerüstete Hisbollah mit ca. 4.000 Kämpfern das syrische Militär.
Gründung und Aufstieg der Hisbollah sind mit dem Sturz des Schahs und der Machtübernahme durch Ayatollah Khomeini 1979 im Iran eng verknüpft. Denn die Machtergreifung Khomeinis und der Ausbruch des ersten Golfkriegs 1980 markieren eine epochale Wende in der Geschichte des schiitischen Islam, jener Minderheit im Vergleich zu der Mehrheit der sunnitischen Anhänger dieser Glaubensrichtung. Die Errichtung eines „Gottesstaates“ unter Führung der Mullahs wurde in den theologischen Hochschulen der Schiiten in Nadschaf (Irak) und Ghom (Iran) vorbereitet.
Für die Gründung der Hisbollah boten sich damals im Libanon ideale Voraussetzungen. Die neuen Herrscher Irans erkannten die Chance für das Umsetzen revolutionärer Ideen nach dem Muster der schiitisch-islamischen Revolution von 1979. Es war die Zeit des libanesischen Bürgerkrieges (1975 – 1989), Gewalt und Anarchie herrschten, eine funktionierende Regierung gab es nicht. Bereits 1982 wurden 1.500 Ausbilder und Militärberater der iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran) ins östliche Bekaa-Tal des Libanon eingeschleust. Diese mobilisierten, trainierten und rüsteten eine neue Miliz aus, woraus dann die Hisbollah ihr Profil gewann. Die frühen Zellen wurden mit Schiiten aus dem Südlibanon gebildet, ebenso mit Männern aus den ärmeren Vororten von Beirut. Damals begann der politische und militärische Aufstieg der schiitischen Minderheit in dem von Christen und sunnitischen Moslems dominierten Libanon.
Von Beginn an wurde die Hisbollah wie eine Guerilla-Miliz aufgebaut. Es gab Untergruppen, die sich in Märtyrer- und reine Militäreinheiten unterteilten. Auf lokaler Ebene befehligten Hisbollah-Kommandeure aus der jeweiligen Region die Untergruppen. Deren Offiziere sind gegenüber der Dachorganisation der radikalen Schiiten verantwortlich. Eine Art Zentralkomitee bündelt alle Aktionen. Die wichtigsten Zentren liegen im Süden Beiruts, im östlichen libanesischen Bekaa-Tal und im Südlibanon. Kleinste operative Einheit der Hisbollah ist die Zelle. Sie besteht nur aus drei bis sechs Personen. Oft können sie unabhängig voneinander arbeiten. Verbindungen untereinander sind häufig lose geknüpft, hierarchische Strukturen fehlen. Finale Entscheidungen trifft der amtierende Generalsekretär, aktuell ist das Hassan Nasrallah.
Die Guerilla-Taktik der Hisbollah spulte in den 80er und 90er Jahren das gesamte Lehrmaterial der iranischen Berater ab. Entführungen von Diplomaten, Journalisten sowie von Personen karitativer Einrichtungen prägten damals das Bild im Libanon. Terroristischer Modus Operandi waren schwerste Bombenattentate durch Selbstmörder in mit Sprengstoff beladenen Kraftfahrtzeugen. 1983 starben bei einem Angriff auf die US-Botschaft in Beirut 63 Personen. Im selben Jahr schlugen Hisbollah-Kommandos gegen Kasernen amerikanischer und französischer Truppen in Beirut zu. 241 US-Soldaten und 58 Paras wurden getötet. Beide Nationen stellten damals im Zuge des Bürgerkriegs sogenannte Friedenstruppen. Angesichts des eskalierenden Terrors der Schiitenmiliz zogen die alliierten Truppen schließlich ab.
1982 starben beim Anschlag auf die Basis der israelischen Truppen in Tyros 80 Soldaten. Israels zeitweilige Besetzung des Libanon war dem Kampf gegen die Terrorkommandos der palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) unter Yassir Arafat geschuldet. Von ihren Basen im Libanon aus initiierten sie immer wieder Terroroperationen gegen Israel. Als im Juni 1982 ein Terroranschlag auf den israelischen Botschafter Argov in London verübt wurde, marschierte die IDF (Israels Armee) im Libanon ein, rückte anfangs bis Beirut vor. Die PLO und ihre Strukturen wurden zerschlagen, Arafats Kommandos verließen den Libanon und ließen sich in Tunis nieder. Die Hisbollah füllte das durch den Abzug der PLO entstandene Vakuum und entpuppte sich fortan zum erbitterten Gegner Israels. 2000 zog sich auch Israel ganz aus dem Libanon zurück. Im Süden des Landes wurde die UN-Truppe UNIFIL installiert. Sie soll als Puffer zwischen Israels Nordgrenze und der Hisbollah dienen. Doch die Ruhe blieb stets trügerisch, denn der Kampf gegen Israel zählt seit ihrem Aufstieg zur DNA der „Partei Gottes“.
Nach der Entführung von zwei israelischen Soldaten im Sommer 2006 kam es zum offenen Krieg. Allein 3.000 Raketen feuerte dabei die Miliz in 34 Tagen auf Israel. Widerstandskraft und neue Taktiken überraschten die überlegene israelische Armee. Israels Experten stellten eine höhere Verteidigungsbereitschaft und eine im Vergleich zu den Vorjahren deutlich verbesserte und trainierte Kampfdisziplin fest. Inzwischen stützt sich die Hisbollah auf eine Milizarmee von geschätzten ca. 20.000 Mann, hochgerüstet und professionell ausgebildet. Hinzu kommt noch der politische Einfluss, denn Hisbollah-Abgeordnete sitzen im Parlament, und ihre Miliz kontrolliert im Zweifelsfall mit dem Lauf der Gewehre den einst blühenden Zedernstaat. Die „Partei Gottes“ fungiert wie ein Staat im Staat! Zudem hat sie ihren Einfluss durch den Aufbau von Wohltätigkeitsnetzwerken, die sowohl Muslimen als auch Christen zur Verfügung stehen, weiter zementiert. Machtpolitische Schlüsselfigur ist Hassan Nasrallah.
Er kam an die Macht, nachdem sein Vorgänger Abbas Mussawi durch einen Helikopter-Angriff der Israelis im Frühjahr 1993 getötet wurde. In den Reihen der Schiiten-Miliz gilt Nasrallah als Mann der ersten Stunde, er zählt zu den Gründungsvätern. Von Beginn an pflegte er engste Kontakte zu den „Taufpaten“ der Hisbollah in Teheran. In der Person Nasrallahs zeigt sich, wie bei allen Spitzenfunktionären der Hisbollah, die enge Verquickung von Religion und Politik. Es ist eine symbiotische Allianz, da er eine Zeitlang auch als ideologischer Lehrer fungierte und die jungen Kämpfer der Partei indoktrinierte. 1985 avancierte er zum geistlichen Mentor der Militärcamps der Hisbollah im libanesischen Bekaa-Tal. Religiöse Ausbildung und Schliff erhielt Nasrallah in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in der südirakischen Stadt Nadschaf, einem religiösen Zentrum der schiitischen Glaubensrichtung im Islam.
Militärische Schlagkraft und Profil verdankt die Hisbollah jedoch zu einem großen Teil Generalmajor Qassem Soleimani, dem früheren Kommandeur der Elite-Einheit Quds der iranischen Revolutionsgardisten. Er galt als genialer Strippenzieher, Architekt des iranischen Terrors, gewiefter Stratege und wichtigster Berater Al Khameneis. Soleimani potenzierte den iranisch-schiitischen Einfluss im Libanon, Syrien, Irak, dem Jemen und im Gazastreifen. Darüber hinaus knüpfte er ein dichtes Netz diplomatischer und militärischer Verbindungen. Er zielte auf eine schiitisch geprägte Front gegen Israel, die USA, aber auch gegen Saudi-Arabien und die sunnitischen Golfstaaten. Wie perfekt er die Fäden gesponnen hat, zeigt, dass Quds-Akteure zum Teil als diplomatisches Personal in die iranischen Botschaften integriert sind. So dienen Quds-Vertreter im Ausland häufig als „Relaisstationen“ für terroristische Hisbollah-Kommandos. Manche Stränge dieser Einheit reichen sogar bis zu ihren schiitischen Glaubensbrüdern in Fernost (Afghanistan). Zudem operiert die Hisbollah schon seit fast 30 Jahren im Dreiländereck Paraguay, Argentinien und Brasilien. Bevorzugtes Aktionsfeld hier: Drogenhandel und Aktionen gegen Israel im Auftrag des Iran. Amerikanische Strategen erkannten sehr früh die Gefahr, die über die Region hinaus von Soleimani ausging. Er starb am 3. Januar 2020 durch einen Drohnenangriff der USA.
Vom Iran üppig mit Ausbildung, Waffen, Material und Geld ausgestattet, füllen aktuell ca. 150.000 Raketen die Depots der islamistischen Hisbollah-Miliz. Manche von ihnen sollen bis Tel Aviv und darüber hinaus reichen. Israels Luftwaffe bombardiert daher in regelmäßigen Abständen die Waffentransporte für die Hisbollah, die von Teheran über Damaskus und dann in den Libanon führen. US-Finanzbehörden gingen 2018 von fast 700 Millionen Dollar jährlich aus Teheran für die schiitischen Glaubensbrüder im Libanon aus.
Aber nicht nur in Logistik und Waffenlieferungen für die Hisbollah sind die iranischen Quds-Einheiten involviert. In Trainingslagern bei Teheran („Imam Ali Camp“) drillen Experten dieser Truppe Kader und Spezialverbände der Hisbollah wie auch Spezialisten der Hamas. Zum Ausbildungsprogramm der Hamas gehörten zum Beispiel extensives Cyber-War-Training, Kommunikationstechniken und Propaganda.
Über die Jahre hat sich die Hisbollah als ein wirkmächtiges Drohpotenzial an Israels Nordgrenze formiert. Jederzeit bereit, auf einen Wink aus Teheran an der Eskalationsschraube zu drehen, wie die Aktionen im Kontext des Gaza-Kriegs demonstrierten.
So sind die Aktivitäten der Hisbollah an seiner Nordgrenze für Israels Geheimdienstexperten auch immer ein Seismograph, was die Mullahs in Teheran vorhaben – denn der iranische Außenposten im Libanon unternimmt nichts ohne Auftrag!
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