Drei Fragen an Prof. Dr. Wilhelm Schmidbauer

Drei Fragen an Prof. Dr. Wilhelm SchmidbauerSicherheit auf der Wiesn – für die Polizei jedes Jahr aufs Neue eine große Herausforderung. Doch die Arbeit der Polizei, die auf Prävention und Kooperation setzt, trägt Früchte. Dazu hat der Security Explorer drei Fragen an den Münchener Polizeipräsidenten Prof. Dr. Wilhelm Schmidbauer.

Frage 1: Herr Dr. Schmidbauer, knapp sieben Millionen Besucher haben in diesem Jahr das Oktoberfest besucht. Die Bilanz der Polizei fiel positiv aus. Wie schaffen Sie es immer wieder mit nur ca. 300 Polizeibeamten das größte Volksfest der Welt zu kontrollieren und sicher zu gestalten?

In der Tat, das Oktoberfest 2011 sorgte für Rekordzahlen und das nicht nur bei den Wiesnwirten und Schaustellern. Mehr Besucher bedeutet auch höheren Alkoholkonsum und dieser Umstand i. d. R. mehr Arbeit für die Polizei. So hatten wir allein an den letzten drei Tagen der Wiesn über 4.000 Einsätze im Bereich des Polizeipräsidiums München abzuarbeiten. Das einsatzstärkste Wochenende seit Bestehen der Einsatzzentrale. Man darf nämlich nicht vergessen, dass neben dem Großeinsatz auf der Theresienwiese der normale Polizeialltag in dieser Zeit nicht ruht. Eine Phase höchster Belastung für alle Polizistinnen und Polizisten in unserer Stadt. Insgesamt gesehen sind wir jedoch mit dem Verlauf zufrieden. Das gewohnt hohe Sicherheitsniveau konnte erneut erreicht und für die Festbesucher gewährleistet werden.

"Wiesnzeit" ist für die Polizei jedoch nicht nur zwischen Ende September und Anfang Oktober sondern in gewissem Maße das ganze Jahr über. In Zusammenarbeit mit den übrigen Sicherheitsbehörden, dem Kreisverwaltungsreferat, Verantwortlichen des Personennahverkehrs und sonstigen Organisationen werden Absprachen getroffen, Neuerungen bzw. Veränderungen diskutiert, Probleme erläutert und Lösungen geschaffen. Zudem wird durch die Polizei neben der allgemeinen Lage auch die sogenannte besondere Lage bzw. die Gefährdungslage analysiert und ausgewertet. Anhand der jeweils vorliegenden Erkenntnisse werden entsprechende Maßnahmen und Konzepte geplant sowie lageangepasst umgesetzt.

Frage 2: Vor zwei Jahren gab es eine ernste Terrordrohung gegen die Wiesn. Daraufhin wurden die Sicherheitsmaßnahmen rund um das Fest verstärkt – es gab keinen Anschlag. Die präventive Strategie der Polizei trug damals Früchte. Wurde die Prävention seither weiter ausgebaut?

Im Zeitraum zwischen 18. und 25. September 2009 wurden sechs Videobotschaften der islamistischen Terrorszene mit gezieltem Deutschlandbezug im Internet veröffentlicht. In zwei der sechs Fälle wurde darüber hinaus konkret Bezug auf das Münchner Oktoberfest genommen. Selbstverständlich war allen auch bereits vorher bewusst, dass Deutschland als Teil eines nahezu weltweiten Gefahrenraumes angesehen werden muss und im Zielspektrum terroristischer Gruppierungen liegt. Mit der direkten Bedrohung wurde die Gefährdungslage jedoch auf eine ganz neue Stufe gestellt. Innerhalb kürzester Zeit mussten effektive Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden. Maßnahmen, welche vielleicht in der Öffentlichkeit als "unkonventionell" diskutiert wurden, mussten eingesetzt werden, um der unmittelbar bevorstehenden Gefahr gerecht zu werden. Ein Verkehrssperrring wurde eingerichtet, Abstellverbote für Fahrzeuge wurden erlassen, lückenlose Zufahrtskontrollen durchgeführt und der Kräfteansatz intensiviert. Ein Anschlag konnte so im Jahr 2009 verhindert werden. Die Bedrohung, die jedoch nach wie vor von islamistischen Terroristen ausgeht wurde uns zuletzt mit dem tödlichen Anschlag vom Frankfurter Flughafen im März 2011 oder durch die Festnahme von zwei mutmaßlichen Islamisten vor wenigen Wochen in Berlin deutlich vor Augen geführt. Auch wenn wir derzeit keine konkreten Anhaltspunkte für Anschläge in der Bundesrepublik haben, galt es in den letzten beiden Jahren die Maßnahmen von 2009 zu vervollständigen und zu optimieren. Ein sehr gutes Beispiel für innovative Sicherheitsarbeit in diesem Bereich ist die Installation der zahlreichen Sicherheitspoller rund um das Festgelände.

Zudem beschäftigen sich die polizeilichen Fachdienststellen intensiv mit der Identifizierung und Bekämpfung terroristischer Gewalttäter, um negative Entwicklungen zeitnah zu erkennen. Für verschiedene Szenarien haben wir Konzepte erarbeitet, um schnellstmöglich eingreifen zu können.

Frage 3:

Das Oktoberfest hat weltweit eine enorme Anziehungskraft. Es ist für einen terroristischen Anschlag geradezu ein Symbol. Warum ist Ihrer Meinung bis heute – abgesehen von dem verheerenden Anschlag von 1980 – keine terroristische Aktion gegen die Wiesn durchgeführt worden?

Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass islamistische Terroristen mit ihren Anschlägen versuchen, eine besonders symbolträchtige Wirkung bzw. größtmögliche Opferzahlen zu erzielen. Primär richtet sich der Zorn gegen Amerikaner, Israelis, Juden und Engländer sowie deren Einrichtungen. Die Bedrohung kann sich aber in jedem Land der Welt realisieren.

Ich denke, dass gerade dieses Bewusstsein und die daraus resultierenden Entscheidungen einen wesentlichen Teil unseres bisherigen Erfolgs ausmachen. Auch wenn wir derzeit von keinen konkreten Anschlagsplänen wissen, werden wir nicht müde, durch Aufklärung und Maßnahmen zur Erkenntnisgewinnung, durch Kontrollen auf und um das Festgelände oder auch durch Videoüberwachung ständige Präventivarbeit zu leisten, um potentielle Täter zu erkennen und ein großes Schadensereignis zu verhindern.

Außerdem haben wir uns in den letzten Jahren intensiv mit den Anschlägen beispielsweise in New York, Madrid und London aber auch mit den Anschlagsplanungen durch die sogenannte Sauerlandgruppe beschäftigt. Durch einen gezielten Erfahrungsaustausch mit den eingesetzten Sicherheitskräften versuchen wir zu verstehen, wie es zu den Anschlägen kommen konnte bzw. was letztlich zu den Anschlagsplanungen führte. Verdachtskriterien können so erarbeitet und auffälliges Verhalten beteiligter Personen besser erkannt werden. Dies allein reicht jedoch nicht aus.

Sobald derartige Verdachtsmomente erkannt und konkrete Gefährdungssachverhalte bekannt werden ist entschiedenes Handeln gefragt. Wenn die Sicherheit unschuldiger Menschen auf dem Spiel steht, bleibt kein Spielraum für unnötig langwierige Überlegungen und zögerliches Vorgehen. Wir müssen uns mit der ganzen Schlagkraft rechtsstaatlicher Polizeiarbeit gegen die durch die Terroristen beabsichtigte Eskalation der Gewalt stellen und die Täter zur Verantwortung ziehen. In diesem Zusammenhang darf ich immer wieder betonen, wie wichtig es ist, dass die Sicherheitsbehörden mit dem nötigen Handwerkszeug ausgestattet werden. Dies gilt sowohl in personeller als auch vor allem in rechtlicher Hinsicht. Und schließlich gilt: Ein gutes Verhältnis der Münchner Polizei zu den Münchner Bürgerinnen und Bürgern ist ein wichtiger Baustein polizeilicher Präventionsarbeit. Hinweise aufmerksamer Bürger an die Polizei sind heute mehr denn je wertvoll.

Die Fragen stellte Rolf Tophoven, Direktor des IFTUS – Institut für Krisenprävention.

Quellenangaben
Titelbild: Rolf Tophoven

Rolf Tophoven
Rolf Tophoven leitet das Institut für Krisenprävention (IFTUS) in Essen, früher Institut für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik. Schwerpunkt seiner journalistischen und wissenschaftlichen Tätigkeit sind der Nahostkonflikt sowie der nationale, internationale und islamistische Terrorismus. Kontakt: E-Mail: info@iftus.de
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