Drei Fragen an den Bayerischen Ministerpräsidenten a.D. Dr. Günther Beckstein

Drei Fragen an den Bayerischen Ministerpräsidenten a.D. Dr. Günther BecksteinDer promovierte Jurist Günther Beckstein war als langjähriger Bayerischer Innenminister und später als Ministerpräsident für die Terrorismusbekämpfung im Freistaat verantwortlich. Auch durch seine Ämter als Vorsitzender des CSU-Arbeitskreises Polizei sowie des Sicherheitsausschusses des Bayerischen Landtags gilt Beckstein als Experte für innere Sicherheit. Rolf Tophoven befragte ihn über seine Einschätzungen zu Terrorgefahren aus dem rechtextremen Milieu.

Frage 1: Warum haben die deutschen Behörden bei der Aufklärung der NSU-Morde versagt (NSU = Nationalsozialistischer Untergrund)?

Bei dem Abtauchen der NSU Ende der 1990er-Jahre hätte intensiv nach den Tätern gesucht werden müssen. Wer in erheblichen Mengen Sprengstoff ansammelt, ist von erheblicher Gefahr. Man hätte die Ermittlungen nicht einfach versickern lassen dürfen. Selbst bei normaler polizeilicher Fahndung wären die Täter ermittelt worden.

Nach den Morden ab dem Jahr 2000 sind keine zusätzlichen Spuren erkennbar gewesen. Am Tatort waren weder Fingerabdrücke, Fußspuren, DNA oder sonst irgendeine Spur. Das einzige war das Geschoss im Körper des Ermordeten. Nicht einmal die Geschosshülse blieb zurück, da wahrscheinlich aus einer Plastiktasche heraus geschossen wurde. Es wurde kein Bekennerbrief oder sonstige Äußerung getätigt, außer der Verwendung von ein- und derselben Waffe bei vielen Morden.

Die Polizei betrieb außerordentlichen Aufwand, um die Täter zu ermitteln: In Bayern waren zeitenweise ca. 180 Beamte eingesetzt, die größte Kommission überhaupt. Dass die Polizisten erfolglos waren, ist tragisch. Ob irgendeine wesentliche Spur übersehen wurde, muss der Prozess und die Arbeit des Generalbundesanwaltes ergeben.

Anzumerken ist, dass sehr wohl auch in die rechte Szene hinein ermittelt wurde, aber da waren Tschäpe und Co. bereits als Namen gelöscht, da jahrelang keine neuen Erkenntnisse zu ihnen aufgetreten waren.

Frage 2: Ist die NSU eine terroristische oder eher eine kriminelle Vereinigung?

Ich halte die NSU für Terrorismus. Sie wollten wahllos Ausländer bzw. Türken aus dem Bereich Kleingewerbe ermorden. Die Verwendung von derselben Waffe – obwohl sie viele andere zur Verfügung hatten – sollte als Zeichen für eine Organisation dienen. Dass Banküberfälle verübt wurden, um an Geld zu kommen, ist ebenfalls ein wichtiges Indiz. Übrigens entspricht dies dem Muster der RAF – nur die Bekennerzeichen fehlen.

Frage 3: Ist die Gefahr des Terrorismus aus dem Islamismus oder dem Rechtsextremismus heraus größer?

Die Sicherheitsbehörden stellen fest, dass nach dem Auffliegen der NSU nicht etwa ein Erschrecken über die Brutalität der NSU in der rechtsextremen Szene zu erkennen war, sondern mit Überraschung, aber trotzdem mit Freude, die Morde beurteilt wurden. Das ist Hinweis auf zunehmende Gefahr der Gewalt aus dem rechten Lager.

Aber auch die Gefahren aus dem Islamismus heraus dürfen nicht unterschätzt werden. Trotz der Tötung von Osama Bin Laden ist Al Quaida aktiv, hat in Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten Anhänger und gefestigte Unterstützerstrukturen, sowie aus ideologischem und religiösem Fanatismus auch in Deutschland Anhänger, die zum Teil sogar in Terrortechniken ausgebildet wurden.

International ist eindeutig Al Quaida die größte Gefahr, in Deutschland halte ich die Gefahren aus dem rechten Spektrum für naheliegender.

Die Fragen stellte Rolf Tophoven, Direktor des IFTUS – Institut für Krisenprävention.

Quellenangaben
Titelbild: Rolf Tophoven

Rolf Tophoven
Rolf Tophoven leitet das Institut für Krisenprävention (IFTUS) in Essen, früher Institut für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik. Schwerpunkt seiner journalistischen und wissenschaftlichen Tätigkeit sind der Nahostkonflikt sowie der nationale, internationale und islamistische Terrorismus. Kontakt: E-Mail: info@iftus.de
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