„Beziehungstaten“ – die alltägliche Bedrohung (12)

„Beziehungstaten“ – die alltägliche Bedrohung

Eine Auswertung von Fällen aus den Medien im 1. Halbjahr 2022
Als Fortsetzung seit Juli 2016 werden in dieser Ausgabe Fälle aus dem 1. Halbjahr 2022 analysiert.

Diese Auswertung ist zugleich die letzte und wird nicht fortgeführt. Das hat zwei Gründe: Zum einen hat sich die Quelle (Polizeiberichte aus den Bundesländern auf der Startseite t-online.de) so geändert, dass die Konsistenz der Daten nicht weiter gewährleistet werden kann. Zum anderen sind weit über 1000 Fälle analysiert worden und eine signifikante Änderung der Ergebnisse kann ausgeschlossen werden.

Im ersten Halbjahr 2022 sind bei 73 sogenannten „Beziehungstaten“ sind 58 Tote und 152 Verletzte zu beklagen. 61 Taten ereigneten sich im familiären Umfeld, 52 davon gegen die Partnerin oder gegen den Partner (oder Ex-Partner*in). In 70 Fällen wurden Menschen getötet oder verletzt. In mindestens 3 Fällen waren Behörden bereits im Vorfeld involviert. Bei mehr der Hälfte der Fälle wird berichtet, dass diese Beziehungen durch teilweise lang anhaltende Streitigkeiten, Eifersucht, eine Trennung, den bevorstehenden oder bereits erfolgten Auszug eines Partners erheblich belastet waren. Das darf auch für weitere Fälle angenommen werden, selbst wenn in der Recherche keine konkreten Belege gefunden wurden. Die Anzahl erweiterter Suizide liegt mit 12 Fällen leicht über dem Durchschnitt des gesamten Beobachtungszeitraumes.

Eine Vergleichszahl für das 1. Halbjahr 2022 aus dem Spektrum des Terrorismus/Extremismus: In diesem Zeitraum gab es in Deutschland keinen Anschlag.

Die Gefahr, in Deutschland Opfer einer Beziehungstat zu werden ist auch in diesem Beobachtungszeitraum ungleich größer.

Eine detaillierte Betrachtung der Fälle im gesamten bisherigen Beobachtungszeitraum (01.07.2016 – 30.06.2022) zeigt, dass die insgesamt 1112 Fälle in folgendem Umfeld stattfanden:

891 Familie (davon 693 gegen den Partner*in oder Ex-Partner*in)
115 Nachbarschaft / Mietverhältnis
68 Beruf / Geschäft
38 Schule

Davon wurden 581 Taten von Männern gegen Frauen begangen, 107 Taten von Frauen gegen Männer und 5 Taten fanden innerhalb einer gleichgeschlechtlichen Beziehung statt.

Folgende Mittel wurden nachweislich zur Tatbegehung eingesetzt (alle Fälle):
in 507 Fällen: Messer / Degen / Axt
in 169 Fällen: Reine körperliche Gewalt
in 105 Fällen: Schusswaffen
in 53 Fällen: Werkzeuge, Hammer/Brechstange, Baseballschläger
in 37 Fällen: Säuren / Benzin / Gas / Wasser / Sprengstoff
in 22 Fällen: Auto als Waffe
in 12 Fällen: Brandstiftung
in 11 Fällen: Medikamente / Gift / Drogen

Schlussfolgerung:
Es zeigt sich, dass die meisten Beziehungstaten im häuslichen Umfeld ereignen. Hier wiederum stehen Taten von Männern gegen Frauen klar im Vordergrund. Als Tatwaffe wird in knapp der Hälfte der Fälle ein Messer oder ähnliches (Degen, Schere, Axt, Schraubendreher) eingesetzt. Schusswaffen nehmen mit knapp 10% einen eher geringen Teil ein.

Beobachtungszeitraum:
1. Halbjahr 2022 (Entscheidend ist das Tat-Datum)

Relevante Fälle:
Es wurden Fälle betrachtet, in denen die handelnden Personen in einer Beziehung zueinanderstanden. (z.B. familiär, partnerschaftlich, geschäftlich)

Fälle von Gewalt gegen Polizei, Rettungs- oder Ordnungskräfte wurden nicht betrachtet, sofern sich die Gewalt nicht gegen die Personen, sondern gegen die Funktion richtete.

Fälle, die ausschließlich durch Bereicherungsabsichten oder von Substanzmissbrauch motiviert waren wurden ebenfalls nicht betrachtet.

Anzahl relevanter Taten im Beobachtungszeitraum: 73

Die Auswertung betrachtet gezeigtes Verhalten im Vorfeld, das Anlass zur Sorge gibt, z. B. substanzielle Drohungen, Aussagen über die Dauer der Belastung in einer Beziehung und die Frage, ob bereits Dritte (Angehörige, Behörden, Gerichte...) informiert waren.

Quellenangaben
1) Bild von Bild von Niek Verlaan auf Pixabay
2) Polizeiberichte aus den Bundesländern auf der Startseite t-online.de, ausschließlich nationale Fälle
3) Wikipedia – Liste von Terroranschlägen

Jürgen Wolf
Jürgen Wolf ist international anerkannter und zertifizierter Bedrohungsmanager nach den europäischen Standards der AETAP (Association of European Threat Assessment Professionals). Jürgen Wolf war 22 Jahre für den Bundesgrenzschutz tätig, bevor er 1996 in die Privatwirtschaft wechselte. Hier war er in leitender Position für den Bereich Personen- und Veranstaltungsschutz tätig verantwortlich, bis er sich 2013 auf personelle Sicherheit und Bedrohungsmanagement spezialisierte.
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