3 Fragen an Herbert Reul, Innenminister des Landes NRW

3 Fragen an Herbert Reul, Innenminister des Landes NRW

Herr Minister: Nach dem Fall Anis Amri hat es in Deutschland keinen weiteren massiven Terroranschlag mehr gegeben. Woran liegt das – sind die Sicherheitsbehörden so effizient oder hat die islamistische Szene keine Kraft mehr angesichts der Anti-Terror-Operationen der Behörden?

Wir sollten den Kampfeswillen der islamistischen Szene in Deutschland nicht unterschätzen. In Deutschland besteht nach wie vor die hohe abstrakte Gefahr eines terroristischen Anschlags. Natürlich waren die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern seit dem Anschlag vom Berliner Breitscheidplatz nicht untätig. Im Gegenteil: In NRW beispielsweise hat die Landesregierung gerade ein „Sicherheitspaket“ auf den Weg gebracht. Mit dieser Novelle des Polizeigesetzes geben wir unserer Polizei einige neue rechtliche Instrumente an die Hand, die sie im Kampf gegen den Terrorismus dringend benötigt. Zum Beispiel durch die geplante Einführung von Telekommunikationsüberwachung und Quellen-Telekommunikationsüberwachung. Wenn Terroristen ihre Anschläge längst per WhatsApp planen, können wir uns kein Polizeigesetz aus dem Wählscheiben-Zeitalter leisten. Wir unternehmen alles in unserer Macht stehende, um die Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Aber: Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht.

Wie bewerten Sie, Herr Minister, die Sicherheitslage nach der Niederlage des Islamischen Staates in Syrien und im Irak speziell auf Deutschland bezogen?

In der Tat hat der IS in Syrien und im Irak so gut wie kapituliert. Dem „Islamischen Staat“ ist sozusagen das Staatsgebiet abhanden gekommen. Trotzdem wäre es ein Fehler zu glauben, wir könnten uns jetzt zurücklehnen. Wie gesagt: Die Anschlagsgefahr in Deutschland ist unvermindert hoch, auch bei uns in Nordrhein-Westfalen. Eine der größten Herausforderungen für die Sicherheitsbehörden sind aktuell die sogenannten Rückkehrer. Diese Menschen haben durch ihre Ausreise in die ehemaligen Kampfgebiete des IS bereits einmal ihr radikales Potenzial aktiviert und gelebt. Sie sind häufig kampferfahren oder können zumindest mit Waffen umgehen. Wenn sie jetzt nach Deutschland zurückkommen, sind viele von ihnen verroht. Das gilt übrigens oft auch für die Frauen und Kinder, die zurückkehren. Wir nehmen diese Gefahr daher sehr ernst.

Welche Lehren haben die Sicherheitsbehörden aus dem Fall Amri gezogen?

Der Fokus liegt heute viel stärker auf einzelnen Personen als auf Gruppen. Die Sicherheitsbehörden schauen sich einen Gefährder heute sehr genau an und scannen ihn nach Auffälligkeiten und Mustern: Wo kommt er her? Was hat er studiert? Wie ist sein Umfeld? Danach wird er in eine Risikokategorie eingestuft. Nur so bekommen wir den 360-Grad-Blick, den wir brauchen. Das Ganze ist bundesweit standardisiert – eine weitere Konsequenz aus dem Fall Amri.

Die Fragen stellte Rolf Tophoven, Direktor des IFTUS – Institut für Krisenprävention.

Quellenangaben
Titelbild: Rolf Tophoven

Rolf Tophoven
Rolf Tophoven leitet das Institut für Krisenprävention (IFTUS) in Essen, früher Institut für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik. Schwerpunkt seiner journalistischen und wissenschaftlichen Tätigkeit sind der Nahostkonflikt sowie der nationale, internationale und islamistische Terrorismus. Kontakt: E-Mail: info@iftus.de
Scroll to top