Drei Fragen an Prof. Dr. Wilhelm Schmidbauer

Drei Fragen an Prof. Dr. Wilhelm SchmidbauerMischen sich islamistische Terroristen unter die Flüchtlinge, die derzeit nach Deutschland kommen? Hierzu befragte der Security Explorer den Bayerischen Landespolizeipräsidenten Prof. Dr. Wilhelm Schmidbauer (Bild: Bayer. Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr).

Herr Dr. Schmidbauer, Der ständige Strom der Asylbewerber verschärft zunehmend das innenpolitische Thema in Deutschland. Welche Gefahren sehen Sie – aus polizeilicher Sicht – für die innere Sicherheit in unserem Land?

Deutschland ist derzeit neben dem Flüchtlingszustrom aus Syrien und dem Irak auch mit einer hohen Zahl irregulär einreisender Ausländer aus anderen Regionen, wie etwa dem Westbalkan, Afghanistan oder Eritrea konfrontiert. ‎Die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder erhalten in diesem Zusammenhang auch Hinweise auf Personen, die in Verbindung zu militanten Gruppen in Krisenregionen standen oder für diese gekämpft haben sollen. Diesen Hinweisen gehen Polizei und Verfassungsschutzbehörden in jedem Einzelfall unverzüglich und umfassend nach. Angesichts der hohen Zahl derzeit aufgenommener Flüchtlinge ist auch weiterhin möglich, dass sich unter Flüchtlingen auch Personen aus dem Bereich der Allgemeinkriminalität oder Mitglieder militanter Gruppen oder Einzelpersonen extremistischer Gesinnung befinden könnten.

Dass der IS die derzeitigen Flüchtlingsströme zur Vorbereitung oder Durchführung von Terroraktionen missbraucht, ist ein realistisches Szenarium. Entsprechende polizeiliche Ermittlungen laufen. Wir haben keinerlei Indizien, dass aus Syrien ausschließlich Opfer zu uns kommen.

Gibt es belastbare Erkenntnisse oder konkrete Hinweise, dass die Terrormiliz „Islamischer Staat“ den Treck der Flüchtlinge dazu benutzt, um unter diesem Deckmantel Terrorkader nach Deutschland oder andere europäische Länder zu schleusen?

Aktuell liegen den bayerischen Sicherheitsbehörden verschiedene Einzelhinweise vor, denen zufolge Flüchtlinge im Ausland gekämpft haben sollen, salafistischen bzw. islamistisch-terroristischen Organisationen angehören bzw. mit diesen sympathisieren sollen. Diesbezüglich wurden bereits Ermittlungen aufgenommen oder Ermittlungsverfahren eingeleitet. In einigen Fällen stellte sich allerdings heraus, dass es sich bei eingegangenen Hinweisen um Fotomontagen, Denunzierungsversuche oder Falschdarstellungen handelte.

Die Bayerische Polizei überprüfte in der jüngeren Vergangenheit, in zuletzt steigender Anzahl, eingehende Mitteilungen zu Personen, die angeblich Sympathisanten, Unterstützer oder (ehemalige) Angehörige von „Organisationen“ im Ausland seien, die als terroristisch im Sinne der Paragraphen 129 a und 129 b des Strafgesetzbuches eingestuft werden, z.B. des „Islamischen Staates“ oder der „Jabhat al Nusra“. Der weit überwiegende Anteil dieser Mitteilungen konnte jedoch nicht verifiziert werden.

Vereinzelt wurden aufgrund vorgenannter Mitteilungen Ermittlungsverfahren mit unterschiedlichen Tatvorwürfen, jedoch im Zusammenhang mit ausländischen Organisationen i.S. der Paragraphen 129 a und 129 b des Strafgesetzbuches, eingeleitet.

Wie groß ist die Gefahr, dass Alleinreisende junge Asylbewerber von islamistisch-dschihadistischen Werbern angesprochen werden, um sie für den Dschihad zu rekrutieren bzw. haben derartige „Rekrutierungsgespräche“ bereits stattgefunden?

Uns sind Fälle bekannt, in denen Islamisten, darunter auch Salafisten, versucht haben Kontakt mit Flüchtlingen aufzunehmen. Mehrere islamistische Gruppierungen und Organisationen haben entsprechende Aufrufe veröffentlicht. Generell steht bei den Aufrufen die humanitäre Hilfe im Vordergrund. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die soziale und emotionale Nähe, die durch die humanitäre Hilfe hergestellt wird, dazu genutzt werden soll, um auf dieser Basis eine integrationsfeindliche, islamistische Ideologie zu transportieren.

Die Fragen stellte Rolf Tophoven, Direktor des IFTUS – Institut für Krisenprävention.

Quellenangaben
Titelbild: Rolf Tophoven

Rolf Tophoven
Rolf Tophoven leitet das Institut für Krisenprävention (IFTUS) in Essen, früher Institut für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik. Schwerpunkt seiner journalistischen und wissenschaftlichen Tätigkeit sind der Nahostkonflikt sowie der nationale, internationale und islamistische Terrorismus. Kontakt: E-Mail: info@iftus.de
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