„Beziehungstaten“ – die alltägliche Bedrohung (4)

„Beziehungstaten“ – die alltägliche Bedrohung

Als Fortsetzung werden in dieser Ausgabe Fälle aus dem 1. Halbjahr 2018 analysiert.
Bei 101 sogenannten „Beziehungstaten“ sind 78 Tote und 91 Verletzte zu beklagen. Es entstand ein erheblicher, nicht näher bezifferter Sachschaden. In 109 Fällen wurden Menschen getötet oder verletzt. In mindestens 10 Fällen waren Behörden bereits im Vorfeld involviert.

In weit mehr als der Hälfte der Fälle wird berichtet, dass diese Beziehungen durch teilweise lang anhaltende Streitigkeiten, Eifersucht, eine Trennung, den bevorstehenden oder bereits erfolgten Auszug eines Partners erheblich belastet waren. Das darf auch für weitere Fälle angenommen werden, selbst wenn in der Recherche keine konkreten Belege gefunden wurden.

Eine Vergleichszahl für das 1. Halbjahr 2018 aus dem Spektrum des Terrorismus/Extremismus:

  • In diesem Zeitraum gab es in Deutschland keinen Anschlag.

Die Gefahr, in Deutschland Opfer einer Beziehungstat zu werden ist auch in diesem Beobachtungszeitraum ungleich größer.

Eine detaillierte Betrachtung der Fälle im gesamten bisherigen Beobachtungszeitraum (01.07.2016 – 30.06.2018) zeigt, dass die insgesamt 298 Fälle in folgendem Umfeld stattfanden:

  • 252 Familie
  • 25 Nachbarschaft / Mietverhältnis
  • 13 Beruf / Geschäft
  • 8 Schule

Davon wurden 164 Taten von Männern gegen Frauen begangen und 25 Taten von Frauen gegen Männer.

Folgende Mittel wurden nachweislich zur Tatbegehung eingesetzt:

  • in 151 Fällen: Messer / Degen / Axt
  • in 28 Fällen: Schusswaffen
  • in 23 Fällen: Werkzeuge wie Hammer/Brechstange, Baseballschläger
  • in 40 Fällen: Reine körperliche Gewalt
  • in 13 Fällen: Säuren / Benzin / Gas / Wasser
  • in 5 Fällen: Auto als Waffe
  • in 5 Fällen: Medikamente / Gift / Drogen
  • in 1 Fall: Brandstiftung

Schlussfolgerung:
Zusätzlich zu den Folgerungen in der letzten Ausgabe zeigt sich, dass die meisten Beziehungstaten im häuslich privaten Umfeld ereignen. Hier wiederum stehen Taten von Männern gegen Frauen klar im Vordergrund. Als Tatwaffe wird in der Hälfte der Fälle ein Messer oder ähnliches (Degen, Schere, Axt, Schraubendreher) eingesetzt. Schusswaffen nehmen mit weniger als 10% einen eher geringen Teil ein. Das ist sicherlich eine wichtige Information bei der Fallanalyse durch Bedrohungsmanagement-Experten.

Wie prognostiziert haben sich diese Zahlen auch in dieser Auswertung weiter verfestigt.

Es wäre wünschenswert, dass das Thema Bedrohungsmanagement und die damit verbundenen Möglichkeiten, schwere Gewalttaten zu verhindern mehr in den öffentlichen Focus gerückt wird.

Datenmaterial:
Beobachtungszeitraum: 1. Halbjahr 2018 (Entscheidend ist das Tat-Datum)

Relevante Fälle:

  • Es wurden Fälle betrachtet, in denen die handelnden Personen in einer Beziehung zueinanderstanden. (z.B. familiär, partnerschaftlich, geschäftlich).
  • Fälle von Gewalt gegen Polizei, Rettungs- oder Ordnungskräfte wurden nicht betrachtet, sofern sich die Gewalt nicht gegen die Personen, sondern gegen die Funktion richtete.
  • Fälle, die ausschließlich durch Bereicherungsabsichten oder von Substanzmissbrauch motiviert waren wurden ebenfalls nicht betrachtet.

Anzahl relevanter Taten im Beobachtungszeitraum: 101

Die Auswertung betrachtet gezeigtes Verhalten im Vorfeld, das Anlass zur Sorge gibt, z. B. substanzielle Drohungen, Aussagen über die Dauer der Belastung in einer Beziehung und die Frage, ob bereits Dritte (Angehörige, Behörden, ...) informiert waren.

Quellenangaben
1) Bild von Bild von Niek Verlaan auf Pixabay
2) Polizeiberichte aus den Bundesländern auf der Startseite t-online.de, ausschließlich nationale Fälle
3) Wikipedia – Liste von Terroranschlägen

Jürgen Wolf
Jürgen Wolf ist international anerkannter und zertifizierter Bedrohungsmanager nach den europäischen Standards der AETAP (Association of European Threat Assessment Professionals). Jürgen Wolf war 22 Jahre für den Bundesgrenzschutz tätig, bevor er 1996 in die Privatwirtschaft wechselte. Hier war er in leitender Position für den Bereich Personen- und Veranstaltungsschutz tätig verantwortlich, bis er sich 2013 auf personelle Sicherheit und Bedrohungsmanagement spezialisierte.
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